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Im Ruecken steckt das Messer - Geschichten aus der Gerichtsmedizin

Titel: Im Ruecken steckt das Messer - Geschichten aus der Gerichtsmedizin
Autoren: Hans Bankl
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entfernten k. u. k. Polizei-Direktion getragen und später in das Allgemeine Krankenhaus transportiert. Es ist ja gar nicht so einfach, eine derart große Zahl von Leichen unterzubringen. Kein gerichtsmedizinisches Institut, keine Pathologie hat auch heute die räumliche Kapazität dafür. Damals standen Holzsärge geschlichtet im letzten Hof des Allgemeinen Krankenhauses. Die Untersuchung der Leichen erfolgte unter der Leitung von Prof. Eduard Hofmann. Dabei wurde festgestellt, dass fast alle Opfer an Rauchgasvergiftung gestorben waren. Ein großes Problem stellte die Identifizierung der Toten dar. Man hatte keine Erfahrung mit solchen Massenkatastrophen, es standen noch keine serologischen, genetischen und röntgenologischen Methoden zur Verfügung - das alles wurde erst viel später entdeckt. Im Vordergrund stand die Identifizierung auf Grund des Gebisses sowie fotografischer Aufnahmen, der Gesichter nicht durch das Feuer zerstört worden waren.
    Am Tag nach der Katastrophe des Ringtheaterbrandes gründeten der Arzt Dr. Jaromir von Mundy, der Vizepräsident des Straflandesgerichtes Eduard Graf Lamezan und der Philanthrop Hans Graf Wilczek die »Wiener freiwillige Rettungsgesellschaft«.
Samstag, 11. November 2000
    Im Stollen der Zugseilbahn von Kaprun auf das Kitzsteinhorn bricht am frühen Vormittag ein Brand aus. Es kommt zu einem Feuersturm mit enormer Rauchentwicklung und einer Hitze von geschätzt mehr als 1000° C. Damit wurde der Seilbahnwagen in ein Krematorium verwandelt. 155 Menschen kamen ums Leben, nur 12 Personen konnten sich aus dem Wagon retten.
    Die Bergung der Opfer gestaltete sich äußerst schwierig, denn die weitgehend verkohlten Körper lagen in, neben und unter der Zugsgarnitur, mussten voneinander getrennt werden und
zeigten infolge der Hitzeeinwirkung oft groteske Verrenkungen. Die Gerichtsmedizin nennt diese Körperhaltung »Fechterstellung«. Dabei kommt es infolge Hitzegerinnung von Muskeleiweiß zu Beugungen und Streckungen in den Gelenken der Extremitäten. Wenn man eine Leichenverbrennung beobachtet, muss man darauf gefasst sein, dass sich der Körper plötzlich wieder bewegt, manchmal sogar aufsetzt. Bei großer Hitze können Gliedmaßen abgetrennt werden, der Dampfdruck sprengt den Schädel wie einen überhitzten Kochtopf und zerreißt auch die Brust- und Bauchhöhle. Da die Bergung der Leichen im Fernsehen ausgestrahlt wurde, sahen aufmerksame Zuseher die militärischen Leichensäcke und den Abdruck des sperrigen Inhaltes.
    Damit sind die klassischen Möglichkeiten einer Identifizierung nicht mehr anwendbar. Es kann versucht werden, durch Analyse des genetischen DNA-Musters von Gewebeproben und durch Vergleich mit organischen Resten auf Zahnbürsten, Haarkämmen u. dgl. zu einer Personenbestimmung zu gelangen.
    Vor allem muss den Hinterbliebenen dringend davon abgeraten werden, die Reste der Körper noch einmal anzusehen. Selbst für abgehärtete Gerichtsmediziner ist dieser Anblick schwer zu ertragen.

Die Gerichtsmedizin am Werk

Von den Praterauen...
    Ohne Zweifel war Albin Haberda (1868-1933) der bedeutendste Gerichtsmediziner Österreichs in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Er leitete von 1916 bis 1933 als Vorstand das Institut für Gerichtliche Medizin in Wien. Über ihn wird auch die berühmteste Anekdote der Gerichtsmedizin erzählt. Die Gerichtsärzte müssen bei unklaren, gewaltsamen Todesfällen am Fundort der Leiche eine erste Inspektion durchführen. Selbstverständlich zu jeder Tages- und Nachtzeit. Und so wurde Haberda eines Nachts geweckt und in den Wiener Prater, das bekannte Vergnügungsviertel, geholt. Hier standen einige Polizisten, Gasthausbesucher und Nachtschwärmer um eine auf dem Boden liegende Leiche. Haberda blieb im Abstand von etlichen Metern stehen, blickte zu dem Toten, schnupperte mit der Nase und knurrte böse: »Was soll das? Sehen Sie das nicht selbst! Hier liegt ein Mann in einer Blutlache und ich rieche bis hierher den Alkohol! Also, das ist ein Säufer mit einer Leberzirrhose und wie es sich gehört einer Blutung aus der Speiseröhre. Lasst mich gefälligst in Ruhe und belästigt mich ja nie wieder wegen eines so klaren Falles!« Dreht sich um und geht. Der mutigste unter den Polizisten ruft ihm noch rechtzeitig nach: »Herr Professor, bitte bleiben Sie da! Drehen Sie die Leiche um, im Rücken steckt ein Messer!« Haberda hat lange Zeit nicht mehr geknurrt.

... bis Zentralafrika
    Am Beginn der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war
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