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Im Rausch der Freiheit

Im Rausch der Freiheit

Titel: Im Rausch der Freiheit
Autoren: Edward Rutherfurd
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höflich: »Der Wall ist nur dazu da, die Indianer abzuschrecken.« Aber niemand fiel darauf herein. Der Wall war dazu da, die Engländer fernzuhalten.
    Der Gouverneur fixierte Margaretha immer noch.
    »Ich wünschte, die Engländer wären meine einzigen Feinde.«
    Ach, der arme Mann! Er war viel zu gut für die nichtsnutzigen Menschen von Neu-Amsterdam.
    In der Stadt wohnten an die fünfzehnhundert Menschen. Rund sechshundert Niederländer und Wallonen. Dreihundert Deutsche und fast ebenso viele Engländer, die sich dafür entschieden hatten, unter niederländischer Herrschaft zu leben. Der Rest kam aus allen Ecken und Enden der Welt. Auch ein paar Juden lebten hier. Und unter ihnen allen: Wie viele echte, aufrechte, rechtschaffene Männer gab es? Nicht viele, wenn man Margaretha fragte.
    Sie selbst war nicht sehr gottesfromm. Die niederländische reformierte Kirche war streng und kalvinistisch; Margaretha folgte nicht immer ihren Geboten. Doch sie bewunderte die wenigen starken Männer, die das schafften – Männer wie Bogard, der alte Pastor oder dominee, und Stuyvesant. Wenigstens waren sie Garanten für Ordnung.
    Als Stuyvesant gegen den exzessiven Alkoholgenuss in der Stadt einschritt, einige der heidnischeren Volksfeste verbot oder versuchte, die Stadt frei von diesen albernen Quäkern oder elenden Wiedertäufern zu halten – hatten ihn da die Kaufleute etwa unterstützt? Kaum einer. Nicht einmal auf die Niederländische Westindien-Kompanie, in deren Diensten er stand, war Verlass. Als aus Brasilien einige sephardische Juden ankamen und Stuyvesant ihnen sagte, sie sollten sich woandershin verfügen, wies ihn die Kompanie zurecht: »Lassen Sie sie rein. Sie beleben das Geschäft.«
    Niemand konnte bestreiten, dass er ein guter Gouverneur war. Seine Vorgänger im Amt waren größtenteils korrupte Hanswurste gewesen. Einer von ihnen hatte sogar einen unnötigen Krieg mit den Indianern vom Zaun gebrochen, der fast das Ende der Kolonie bedeutet hätte. Stuyvesant aber hatte gelernt, weise zu herrschen: Im Norden hielt er die Engländer in Schach. Im Süden hatte er mit einer aufmüpfigen schwedischen Kolonie am Schuylkill-Fluss, die zu einem Ärgernis zu werden drohte, kurzen Prozess gemacht. Er hatte den Zuckerhandel gefordert und angefangen, mehr Sklaven einzuführen. Jedes Schiff aus den Niederlanden führte als Ballast die allerbesten holländischen Backsteine mit, aus denen dann die Häuser der Stadt gebaut wurden. Die Straßen waren sauber, es gab inzwischen ein kleines Hospital, und die Schule hatte einen Lateinlehrer.
    Aber waren diese Leute etwa dankbar? Aber nein! Sie nahmen ihm seine Macht übel. Sie bildeten sich sogar ein, sie könnten sich selbst regieren, die Dummköpfe! Waren diese Männer überhaupt fähig zu regieren? Da hatte sie ihre Zweifel.
    Der Schlimmste von ihnen war ein doppelzüngiger Anwalt gewesen, van der Donck. Den jonker nannten sie ihn: den Junker. Er war derjenige, der immer hinter dem Rücken des Gouverneurs intrigierte, der Briefe an die Westindien-Kompanie schickte und Beschwerden in die Öffentlichkeit trug – alles nur, um Stuyvesant zu Fall zu bringen. Und mit welchem Ziel? »Der Jonker liebt die Freiheit«, pflegte ihr Ehemann zu erklären. »Ihr seid alle Dummköpfe!«, rief Margaretha dann aus. »Er liebt nur sich selbst. Wenn ihr ihm auch nur die kleinste Gelegenheit dazu gebt, wird er anstelle von Stuyvesant euch regieren.«
    Glücklicherweise war es dem Jonker nicht gelungen, Stuyvesant zu vernichten, er hatte es allerdings geschafft, ein großes Landgut nördlich der Stadt in die Hände zu bekommen. Er hatte sogar ein Buch über die Neu-Niederlande geschrieben, das, wie ihr Mann ihr versicherte, lesenswert sei. Der elende Wicht war inzwischen – Gott sei’s gedankt! – tot und begraben. Aber die Menschen von Neu-Amsterdam nannten sein großes Landgut nach wie vor »Des Jonkers Land«, als ob der Kerl noch am Leben wäre. Und sein Beispiel hatte die Kaufleute so angesteckt, dass Stuyvesant ihrer Ansicht nach am besten keinem Einzigen von ihnen hätte trauen dürfen.
    Die Augen des Gouverneurs ruhten unverwandt auf ihr.
    »Kann ich auf Sie zählen, Greet?«
    Ihr Herz setzte einen Schlag lang aus. »O ja.«
    Natürlich war er glücklich verheiratet. Zumindest nahm sie das an. Wie es aussah, lebten er und Judith Bayard auf ihrer bouwerij, wie die Holländer ihre Bauernhöfe nannten, in vollkommener Eintracht und Zufriedenheit. Judith, älter als Pieter, war diejenige
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