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Im Rausch der Freiheit

Im Rausch der Freiheit

Titel: Im Rausch der Freiheit
Autoren: Edward Rutherfurd
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Manhattan.«
    Manna hata: Es war ein indianischer Name. Soweit er wusste, bedeutete er lediglich »die Insel«. Tatsächlich war es eine schmale Halbinsel; nur dass an ihrem nördlichen Ende eine enge, steile Schlucht einer Abzweigung des Nordflusses gestattete, sich zum Sund der Langen Insel hinüberzuschlängeln, wodurch die Halbinsel Manhattan streng genommen wirklich zu einer Insel wurde.
    Ohne den gewaltigen Wellenbrecher, den die Lange Insel darstellte, wäre Manhattan der ungehemmten Gewalt des Atlantiks ausgesetzt gewesen. Doch dank diesem glücklichen Umstand gelangte der Nordfluss, wenn er die Spitze von Manhattan erreichte, in einen wunderbaren, geschützten natürlichen Hafen von rund vier Meilen Breite und sieben Meilen Länge – einen ausgedehnten Ankerplatz, den Seeleute unter dem Namen Obere Bucht kannten. Aber was noch besser war – wenn man durch die Enge am Südende der Bucht fuhr und in den Atlantik steuerte, passierte man zwei riesige Sandbänke, auf jeder Seite eine, die als äußere Wellenbrecher gegen die Dünung des Ozeans dienten und damit das stille Gewässer der Unteren Bucht schufen: so gewaltig groß, dass alle Schiffe dieser Welt dort ohne Schwierigkeiten hätten ankern können.
    »Das ist das Tor zum Norden«, hatte er erklärt. Doch Bleiche Feder verstand nichts. Und obwohl er ihr weiter von Handel und Transport erzählte, sah er ihr an, dass sie die Bedeutung der Landkarte des Weißen Mannes nicht erfasste.
    Weiße Männer waren seit den Tagen des Christoph Kolumbus immer wieder dorthin gekommen. Anfangs waren sie auf der Suche nach Gold gewesen oder hatten versucht, eine Route nach Asien zu finden. Einer von ihnen, der 1524 landete, war namentlich bekannt: Verrazano; andere gerieten in Vergessenheit. Und sie waren auch nicht immer weiß: Der portugiesische Kapitän Gomez war schwarz gewesen. Er ging an Land, schnappte sich fast sechzig Indianer, um sie als Sklaven zu verkaufen, und verschwand dann wieder hinter dem Horizont. Doch es war die Ankunft eines anderen Mannes gewesen, der für die Menschen am großen Nordfluss und dessen Ästuar alles verändert hatte.
    Henry Hudson war ein Engländer gewesen, den ausgerechnet die niederländischen Rivalen beauftragt hatten, eine kürzere, östliche Route nach China zu finden. Nachdem er sich die sagenhafte Nordostpassage über Russland angesehen hatte und zu dem Schluss gelangt war, sie tauge nichts, hatte er, unter Missachtung seiner Befehle, kehrtgemacht, den Atlantik überquert und stattdessen nach einer Nordwestpassage gesucht. Es war Hudson, der sich in die Bucht unterhalb von Manhattan wagte und den großen Fluss mehrere Tage lang stromaufwärts segelte, bis er sich sagte: »Das ist nicht der Weg nach China.«
    »Es geht da vielleicht nicht nach China«, erklärte er seinen niederländischen Auftraggebern nach seiner Rückkehr, »aber es ist ein herrliches Land. Und voller Biber.«
    Und die Menschen von Mittel- und Nordeuropa hatten eine unstillbare Gier nach Bibern.
    »Der Biber«, erklärte van Dyck oft seinen Kindern, »ist ein höchst nützliches Geschöpf. Biberöl heilt Rheumatismus, Zahnweh und Magenschmerzen. Biberhoden, pulverisiert und in Wasser aufgelöst, können einem Idioten die Vernunft zurückgeben. Das Fell des Tieres ist dicht und warm.« Aber wonach es die Männer wirklich verlangte, war die weiche Unterwolle unter den Grannenhaaren. Und warum? Weil sie zu Filz verarbeitet werden konnte.
    Hüte. Jeder wollte einen Filzhut haben, wenngleich sich nur reichere Zeitgenossen einen leisten konnten. Er war das Feinste vom Feinsten. Die Handwerker, die sie herstellten, wurden manchmal verrückt, vom Quecksilber vergiftet, das sie verwendeten, um die Grannenhaare von der Unterwolle zu trennen. Und vielleicht, gestand sich van Dyck ein, war die ganze Sache ziemlich verrückt – dass eine ganze Kolonie, möglicherweise sogar ein Imperium, entstehen konnte, damit Männer ihr Leben aufs Spiel setzten und ihrerseits töteten – und alles nur wegen einer Hutmode. Die Nordostküste Amerikas mochte wegen der nordatlantischen Fischgründe kolonisiert worden sein, aber die gewaltige Bucht von Neu-Amsterdam und die Ufer des großen Nordflusses verdankten ihre Besiedlung dem Biberhut.
    Und aus Dankbarkeit gegenüber dem unerschrockenen Seefahrer und Entdecker nannten van Dyck und andere Fellhändler den großen Strom häufig nicht den Nord-, sondern »Hudsons Fluss«.
    *
    »Da ist es. Neu-Amsterdam.« Der Holländer lächelte, als
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