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Im Rausch der Freiheit

Im Rausch der Freiheit

Titel: Im Rausch der Freiheit
Autoren: Edward Rutherfurd
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er seine Tochter aufgeregt erschaudern sah. Weiter vorne ragte die Südspitze Manhattans in die unermessliche wässrige Weite der Bucht hinein. Meeresvögel kreisten über den Wellen. Die Luft war auf belebende Weise mit Salz gesättigt.
    Bleiche Feder starrte auf die großen Flügel der Windmühle und die gedrungene Masse des Forts, das über die Wasserfront wachte. Während sie die Spitze von Manhattan umfuhren, wo die Giebelhäuser der Kaufleute sich in mehr oder weniger ordentlichen Reihen aufgestellt hatten, machte van Dyck sie auf einzelne Sehenswürdigkeiten aufmerksam.
    »Siehst du die Häuser dort nah beim Fort? Früher, bevor die Weißen kamen, hatten deine Leute dort ein Lager. Sie haben solche Haufen von Austernschalen zurückgelassen, dass wir das de Varel Straet genannt haben – die Perlenstraße. Dieses helle Haus dort drüben gehört Stuyvesant. Es heißt die Weiße Halle.«
    Als sie die Südspitze passiert hatten, bogen sie in den langen, breiten Kanal ein, der entlang der Ostseite von Manhattan verlief. Obwohl kein eigentlicher Fluss, war die Wasserstraße als der East River, Ostfluss, bekannt. Van Dyck deutete auf die Landfläche jenseits davon.
    »Breukelen. « Die Niederländer hatten die Siedlung nach einem Ort in der Nähe von Amsterdam getauft.
    »Das Land meines Volkes«, sagte das Mädchen.
    »War es mal.«
    Den Hafenkai hatte man an der Ostseite der Landspitze errichtet. Das Kanu hielt darauf zu. In der Nähe ankerten mehrere Schiffe im Ost-Fluss. Als der Niederländer und das Indianermädchen die Landungsstelle erreichten, wandten sich ihnen neugierige Augen zu.
    Es dauerte nicht lange, die Felle in zwei geräumige Handkarren zu verladen, die sie zum großen Lagerhaus der Westindien-Kompanie schaffen würden. Van Dyck ging neben den Karren her, die leichtfüßige Bleiche Feder an seiner Seite. Er grüßte Männer, die er kannte, mit einem kurzen Nicken. Am Kai waren die verschiedensten Leute zu sehen: Matrosen in offenen Blusen, Kaufleute in weiten Schlumperhosen, sogar ein Prediger, ganz in Schwarz, auf dem Kopf einen hohen, kegelförmigen, breitkrempigen Hut. Als sie sich vom Ufer entfernten, kamen ihm zwei holländische Kaufleute entgegen, Springsteen und Steenburgen, nicht unvermögende Männer, denen man ein paar Minuten für den Austausch von Höflichkeiten widmen musste.
    »Erst vorhin hat Ihre Frau sich am Fort mit Stuyvesant unterhalten, Mijnheer van Dyck«, bemerkte Springsteen.
    »Sie könnten ihr jeden Augenblick begegnen«, warnte Steenburgen.
    Van Dyck fluchte innerlich. Gestern hatte der Plan noch so einfach ausgesehen. Seine Männer würden sein Boot und das indianische Kanu löschen. Die Indianer würden mit der Rückfahrt warten, bis die Flut käme. Das würde ihm genügend Zeit lassen, Bleiche Feder im Städtchen herumzuführen und ihr – als glücklichen Höhepunkt der gemeinsam verbrachten Zeit – ein paar holländische Kekse zu schenken. Dann würden die Indianer sie wieder den Fluss hinaufpaddeln, und er würde heim zu Frau und Kindern gehen.
    Eigentlich wartete Margaretha, wenn sie erfuhr, dass er gelandet war, immer geduldig zu Hause, weil sie wusste, dass er zuerst Geschäftliches im Lagerhaus zu erledigen hatte. Daher hatte er nicht damit gerechnet, dass sie heute unten beim Fort sein würde.
    Nun, er würde das Versprechen, das er seiner Tochter gegeben hatte, halten, aber er würde vorsichtig sein müssen.
    »Komm, Bleiche Feder«, sagte er.
    Es war nicht einfach, Bleiche Feder die Örtlichkeiten zu zeigen und zugleich nach seiner Frau Ausschau zu halten. Aber seine Tochter schien ganz zufrieden zu sein. Ihm wurde bewusst, dass er stolz auf die Stadt war. Man konnte nicht bestreiten, dass Stuyvesant etwas daraus gemacht hatte. Der breite, schlammige Uferstreifen war zum Teil mit Kopfstein gepflastert worden. Selbst im Zentrum, nahe dem Marktplatz, hatten die Giebelhäuser nach hinten hinaus weitläufige, gepflegte Gärten.
    Die beiden gingen die Ostseite entlang, Richtung Norden, überquerten den kleinen Kanal und erreichten das Rathaus, das Stadt Huys. Es war ein großes Gebäude mit einer mittigen Pforte, drei Reihen von Fenstern, zwei weiteren im steilen Giebel und einer kleinen Dachterrasse. Es stand in einer Reihe weiterer Gebäude, die phlegmatisch, genau wie viele niederländische Handelsherren, auf den Ost-Fluss hinaussahen. Vor dem Stadt Huys erhob sich ein Pranger mit zwei hölzernen Fußfesseln. Van Dyck musste Bleiche Feder erklären, wie
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