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Im Paradies deiner Kuesse

Im Paradies deiner Kuesse

Titel: Im Paradies deiner Kuesse
Autoren: Fiona Harper
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Kulturteil. Ein grobkörniges Schwarz-Weiß-Foto von ihr und Stephen im letzten Akt nahm beinah eine halbe Seite ein. Wie immer sah ihr Tanzpartner wie eine griechische Marmorstatue aus. Perfekter Körperbau, aber ein wenig unterkühlt. Sie selbst war gar nicht schlecht getroffen. Ihre Körperhaltung war wie im Lehrbuch, trotz der schwierigen Position. Ein solches Bild musste ein gutes Omen sein, oder?
    Mit klopfendem Herzen begann sie zu lesen. Dann begannen die Buchstaben vor ihren Augen zu tanzen.
    „Erstaunlich.“
    „Technisch perfekt.“
    „Allegra Martin zeigt fehlerfreie Darbietung.“
    Ein Lächeln umspielte ihre Lippen. Aus den Augenwinkeln beobachtete sie ihren Vater, der sich eine andere Zeitung vorgenommen hatte. Der Kamillentee, den er ihr fürsorglich bereitgestellt hatte, war beinah kalt. Trotzdem griff sie nach der Tasse und nahm einen großen Schluck.
    Nun, da die erste Angst überstanden war, konnte Allegra den ganzen Artikel lesen. Eigentlich stand nur Positives darin. Doch der letzte Absatz jagte ihr einen kalten Schauer über den Rücken.
    „Ich war immer ein großer Fan von Allegra Martin“ , hieß es.
    Ach ja, dachte sie verwundert. Ich möchte nicht wissen, was er schreibt, wenn er jemanden nicht mag.
    „… doch, obwohl ihre Darbietung als kleine Meerjungfrau technisch perfekt war, glaube ich nicht, dass sie die Erwartungen, die sich seit ihrer Kindheit hoffnungsvoll auf sie richten, erfüllen kann.“
    Bei diesen Worten wurde Allegra auf einmal übel. Nur mit größter Mühe konnte sie weiterlesen.
    „Miss Martin scheint die mitreißende Begeisterung für das Ballett verloren zu haben, die sie in früheren Jahren ausstrahlte. Und obwohl ich ihre meisterliche Leistung sehr würdige, finde ich, sie hat weder den überwältigenden Freudentaumel der ersten Liebe noch die schmerzliche Sehnsucht der kleinen Meerjungfrau einfangen können. Für eine wirklich außergewöhnliche Darstellung dieser Rolle wirkte Allegra Martin zu seelenlos.“
    Wie erstarrt saß Allegra auf dem Küchenstuhl.
    Seelenlos? Er fand sie seelenlos ?
    Mechanisch stand sie auf.
    Ihr Vater sagte kein Wort. Normalerweise hatte er immer einen Ratschlag für sie. Etwas, das sie beim nächsten Mal besser machen konnte. Und obwohl er oft sehr streng mit ihr war, stand er immer auf ihrer Seite, wenn die Kritiker sie unfair behandelten.
    Als sie den Grund für sein Schweigen erriet, wurde ihr gleich noch elender zumute. Die Kritiken waren nicht unfair. Sie trafen den Nagel auf den Kopf.
    „Du findest, sie haben recht, stimmt’s?“, fragte sie leise.
    Er schloss die Augen und öffnete sie wieder. „Ich weiß nicht, was mit dir los ist, Allegra“, antwortete er. „Seit etwa einem Jahr bist du nur mit halbem Herzen bei der Sache. Und darunter leidet deine Arbeit natürlich.“
    Flehend blickte sie ihren Vater an. Ja, er hatte sie immer angetrieben und unbarmherzig auf ihre Fehler hingewiesen. Aber er sollte eigentlich auch ihr Beschützer sein. Ihr Held. Warum sagte er das zu ihr? Wieso konnte er sie nicht tröstend in den Arm nehmen und die Kritiker als „ahnungslose Idioten“ bezeichnen, wie er es früher oft getan hatte?
    Doch dann las sie in seinen Augen, dass er nicht enttäuscht war, sondern wütend.
    „Wie kannst du nur so mit deinem Talent umgehen? Du musst aufhören, deine Gabe derart zu verschwenden!“
    Allegra wusste nur zu gut, was er meinte. Ihn interessierten die Rollenangebote und Gagen nicht. Ihm ging es darum, dass sie das Erbe ihrer Mutter weiterführte. Maria Martin war eine der größten Primaballerinen in der Geschichte des britischen Balletts gewesen. Und ihre Tochter schien einfach nicht an sie heranzureichen.
    In seinen Augen war sie nicht gut genug. Würde es vielleicht niemals sein.
    Schweigend wandte Allegra sich ab.
    „Ich möchte, dass du von heute an wieder mit der gleichen Energie an die Proben und Aufführungen herangehst wie früher!“, forderte er. „Das bist du dir schuldig!“
    Eigentlich meinte er „das bist du ihr schuldig“.
    Was glaubte er denn? Wenn sie könnte, würde sie es doch sofort tun!
    Ich versuche es jeden Tag, aber ich schaffe es nicht, weil ich mich leer fühle!
    Das konnte sie ihrem Vater allerdings nicht sagen. Er würde es nicht verstehen.
    „Um halb elf habe ich Probe“, erwiderte sie stattdessen und verließ die Küche.
    Hier wimmelte es nur so von Menschen! Finn blieb einen Moment stehen, um sich an diesen ungewohnten Anblick zu gewöhnen. Nach einer Woche
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