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Im Papierschiff bis nach Irland (German Edition)

Im Papierschiff bis nach Irland (German Edition)

Titel: Im Papierschiff bis nach Irland (German Edition)
Autoren: Gabriele Kowitz
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ihrem Namen erkundigt. Und
dann hat er sie (in Anlehnung an die ehemalige niederländische Königin Juliana)
immer nur „Königin“ genannt. Entspannung auch für mich. Allerdings steht das
nächste heikle Thema quasi als Nachtisch bereits bevor – die Hausaufgaben.
„Heute muss ich noch einmal an Australien arbeiten“, lautet die fröhliche
Antwort auf meine Frage. Australien trifft voll das Interesse meiner Tochter.
Bereits seit zwei Jahren quengelt sie, dass sie in den Sommerferien nach
dorthin möchte. Warum auch immer – Australien begeistert das Kind. Inzwischen
musste ich mir schon Luft mit einem mutigen Versprechen schaffen, welches
lautet, dass sie nach bestandenem Abitur eine Reise nach Australien machen
darf. Seit Dienstag schreibt sie an „etwas über Australien“, sitzt am PC ihres
Bruders (sehr zu dessen Leidwesen), sucht nach Informationen und Bildern,
organisiert einen Farbdrucker und buntes Papier, quält sich mit dem bei allen
Anfängern bekannten Einfingersuchsystem über die Tastatur, lehnt jegliche Hilfe
ab (du diktierst mir und ich schreibe): „Nein, das dürfen wir nicht! Und wir
dürfen auch nicht einfach abschreiben, wir sollen eigene Wörter verwenden!“
    Wenn die
Lehrerin etwas sagt, ist das Gesetz, man muss sich unbedingt daran halten. Vom
Grundsatz her habe ich nichts gegen diese Einstellung meiner Tochter
einzuwenden, jedoch frage ich mich ernsthaft, warum für mich von diesem Gesetz
nichts übrigbleibt. Da fällt mir doch das Wort „unfair“ wieder ein. Ausgesprochen
unfair findet Julia, dass sie heute Nachmittag einen Termin zur Sehschule hat.
Sie ist gezwungen, ihre Recherchen über Wombats zu unterbrechen. Und zwar nicht
nur, um zum Augentraining  zu gehen, nein, ich erlaube mir auch noch, ein
Bettengeschäft aufzusuchen, weil mein Sohn mir gestern Abend mitgeteilt hat,
dass eine Latte des Lattenrostes seines Bettes fast durchgebrochen ist. Beim
genaueren Hinsehen stellte ich überdies fest, dass zwei weitere Latten kurz vor
dem Durchbrechen stehen. Niemand möge mich an dieser Stelle fragen, wie ein
gerade mal 45 kg schweres Kind das hinbekommt, denn sonst müsste ich mit der
extrem blöden Antwort „ich weiß es nicht“ aufwarten. Selbstredend passt der
neue Lattenrost nicht in mein Auto. Schon gar nicht, wenn noch ein Kind
mitfährt. Jetzt kann ich nur hoffen, dass Leo nicht auch gleich schlechte Laune
bekommen wird, wenn er später aus der Schule nach Hause kommt und das
Bett-Problem nicht gelöst ist. Einstweilen kämpfe ich noch mit Julia, die
eiligst wieder nach Hause will, als ihr einfällt, dass wir bereits vor einigen
Tagen ein Paar sommerliche Schuhe kaufen wollten. „Das können wir doch noch
eben schnell erledigen, wo wir schon einmal hier sind.“ Haben Sie Ihrer Tochter
jemals „eben schnell“ ein Paar Schuhe gekauft? Ich nicht. Auch nicht heute. Wir
kommen so spät nach Hause, dass ich schon fast fürchte, mein Sohn (der keinen
Hausschlüssel hat) könnte vor uns da sein. Wenigstens haben wir die Schuhe.
Meine Küche sieht noch aus wie ein Chaos, denn nach dem Mittagessen war ich zu
sehr mit Fragen wie „Welches Koala-Bild gefällt dir besser?“ beschäftigt, als
dass ich die Küche hätte aufräumen können. Aber kluge Mamas lassen das Chaos
erst mal Chaos sein und trösten sich mit den Worten: „Darum kümmern wir uns
später“.  Jetzt ist später – oder doch noch nicht? Irgendwie ist Stau in der Küche.
Leider bekomme ich es nicht mehr hin, das Essen für Leo rechtzeitig fertig zu
haben. Er muss warten. Und sein PC ist besetzt. Ich stehe am Herd, Julia ruft
ständig etwas wie: „Mama, wusstest du schon dass Kängurus …“ Leo erklärt mir,
dass sein Fahrradständer so gut wie abgebrochen ist, mir fällt die Wäsche
wieder ein, die ich eigentlich vor drei Stunden schon hatte aufhängen wollen,
Julia schimpft, weil sie am PC die kleine Zwei für km² nicht finden kann, Leo
will von seiner Schwester wissen, wann sie fertig sein wird, damit er am PC
spielen kann, Julia beschwert sich lautstark bei mir über ihren Bruder, der sie
unter Zeitdruck setzt, als mir der Helm wieder einfällt. Erst mal setze ich
mich zu meinem Sohn an den Tisch, lasse mir von seinem Schultag erzählen, ihm
schmeckt das Essen heute nicht so gut. Na ja, man kann es nicht allen recht
machen. Als ich ihm dann erzähle, dass der Lattenrost nicht ins Auto passte,
obgleich er mein Auto doch gestern vermessen hatte, ist seine
Aggressionsschwelle schon recht niedrig.
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