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Im Netz des Teufels

Im Netz des Teufels

Titel: Im Netz des Teufels
Autoren: Richard Montanari
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mit rosarotem Zuckerguss überzogen waren, den Hof überquerte. Sie trug eine enge weiße Jeans, ein taubenblaues Roar Lion Roar -T-Shirt der Columbia University und Flipflops aus dem Drogeriemarkt. Irgendwie schaffte sie es immer, wie Grace Kelly auszusehen.
    »Kommt dein Bruder auch?«, fragte Michael.
    »Sei nett zu ihm.«
    Abigail Reed Roman war einunddreißig Jahre alt und vier Jahre jünger als ihr Ehemann. Im Gegensatz zu Michael, der aus einfachen Verhältnissen stammte, war Abby als Tochter eines weltbekannten Herzchirurgen in einem herrschaftlichen Haus in Pound Ridge aufgewachsen. Mitunter hätte man meinen können, Michael, der schnell auf hundertachtzig war, hätte überhaupt gar keine Geduld, doch seine Frau war meistens die Ruhe selbst. Es sei denn, sie wurde in die Enge getrieben. Dann konnte auch sie fuchsteufelswild werden. Das konnte nach fast zehnjähriger Tätigkeit als Krankenschwester in der Notaufnahme des New York Downtown Hospital nicht ausbleiben. Zehn Jahre lang Drogensüchtige, Schwerstverletzte, Todkranke, zerstörte Seelen.
    Doch das war in einem anderen Leben.
    »Hast du den Kuchen mit Zuckerguss überzogen?«
    Scheiße , dachte Michael. Das hatte er ganz vergessen, und das war gar nicht seine Art. Er war nicht nur derjenige, der in dieser kleinen Familie meistens das Kochen übernahm, sondern er war auch fürs Backen zuständig. Sein Bienenstike war so lecker, dass sogar starke Männer schwach wurden. »Mach ich sofort.«
    Als Michael zurück zum Haus lief und dabei den rosaroten Luftballons auswich, dachte er über diesen Tag nach. Seitdem sie vor einem Jahr aus der Stadt hierhergezogen waren, hatten sie noch nicht viele Partys gegeben. In Michaels Kindheit schienen sich in der winzigen Wohnung seiner Eltern in Queens ständig Freunde, Nachbarn, Verwandte und Kunden der Familien-Bäckerei aufzuhalten. Eine Symphonie osteuropäischer und baltischer Sprachen hallte über die Feuerleiter auf die Straßen von Astoria. Selbst in den letzten Jahren, seit sein Stern im Büro des Bezirksstaatsanwalts aufgegangen war, hatten er und Abby jedes Jahr höchstens eine Hand voll Cocktailempfänge oder Dinnerpartys für einflussreiche Gäste gegeben.
    Doch hier in diesem Vorort sprachen sie immer seltener Einladungen aus, bis fast gar nicht mehr bei ihnen gefeiert wurde. Alles schien sich nur noch um die Mädchen zu drehen. Vielleicht war das nicht der beste Schachzug für seine Karriere, aber Michael war mit seinem Leben rundum zufrieden. An dem Tag, als die Mädchen in sein Leben traten, änderte sich alles.
    Als Michael zehn Minuten später in der Küche stand und der Kuchen mit Zuckerguss überzogen und dekoriert war, hörte er, dass sich vier kleine Füße näherten und dann stehen blieben.
    »Wie sehen wir aus, Daddy?«
    Michael drehte sich um. Als er seine vier Jahre alten Zwillinge, die beide gleich gekleidet waren, dort Hand in Hand in ihren weißen Kleidchen – und natürlich mit rosaroten Bändern im Haar – stehen sah, war er überglücklich.
    Charlotte und Emily. Die beiden Hälften seines Herzens.
    Vielleicht würde er ewig leben.

    Um zwölf Uhr war die Party in vollem Gange, und die Kinder kreischten vor Vergnügen. Eden Falls war ein kleiner Ort in Crane County in der Nähe des Hudson River, ungefähr fünfzig Meilen von New York entfernt. Im Norden von Westchester County gelegen – und daher noch weiter von Manhattan entfernt und für junge Familien erschwinglicher – schienen hier ungewöhnlich viele Kinder unter zehn Jahren zu wohnen.
    Michael hatte das Gefühl, sie wären alle eingeladen worden. Er fragte sich, wie viele Freunde vierjährige Mädchen haben konnten. Sie gingen noch nicht einmal zur Schule. Hatten sie ihre eigenen Seiten bei Facebook? Twitterten sie schon? Waren sie in sozialen Netzwerken wie Chuck E. Cheese?
    Michaels Blick wanderte über das ausgelassene Getümmel. Es waren mindestens zwanzig Kinder mit den dazugehörigen Müttern, die alle Kleidung mit den Logos von J. Crew, Banana Republic oder Eddie Bauer trugen. Die Kinder waren ständig in Bewegung. Die Mütter standen mit ihren Handys in den Händen herum, unterhielten sich leise und nippten an Kräutertee und Beerensaft.
    Um halb eins brachte Michael den Kuchen in den Garten. Er wurde mit lautem Beifall begrüßt, doch seine Töchter schauten ihn mit gerunzelten Augenbrauen an, als würde sie etwas bedrücken. Michael stellte den großen Kuchen auf einen der Tische und hockte sich hin, um mit den
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