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Im Netz des Teufels

Im Netz des Teufels

Titel: Im Netz des Teufels
Autoren: Richard Montanari
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Tal, als läge das Wissen, dass sich bald etwas ändern würde, in den reglosen Ästen, den stummen Rotkehlchen, den stillen Bächen und den blühenden Wildblumen.
    Der große Mann im schwarzen Ledermantel stand an dem Weidezaun, der den größten Teil seines Besitzes umgab. Er hatte die Fensterläden des Wohnhauses bereits geschlossen, die Sicherheitssysteme eingeschaltet und die hochempfindlichen Lichtschranken aktiviert. Es war keineswegs ein großes Haus, jedenfalls nicht, wenn man den Standard der jungen neureichen Russen zugrunde legte, die jetzt in ganz Estland Grundbesitz kauften. Von außen betrachtet war es ein stabiles, aber bescheidenes Gebäude. Sein Inneres wie das seines Erbauers und Besitzers glich einer Festung.
    Der große Mann nahm die beiden Ledertaschen und schwang sie sich über die Schultern.
    Es war Zeit.
    Er folgte dem zwei Meilen langen Kiesweg, der sich durch die Hügel schlängelte, und traf Rocco, die italienische Bulldogge, an der ersten Biegung. Offenbar hatte Rocco in einem Misthaufen gewühlt, denn er stank nach Fäulnis, Kompost und Fäkalien. Der Geruch erfüllte den großen Mann augenblicklich mit einer undefinierbaren Melancholie. Bald tauchten die anderen fünf Hunde aus dem Wald auf und liefen neben ihm her. Die Hunde waren nervös, aufgeregt und traurig. Sie sprangen an ihrem Besitzer hoch und sprangen sich gegenseitig an. Sie spürten, dass er fortging, und wie alle Hunde glaubten sie, dass er niemals zurückkehren würde. Tumnus, der Wolfshund, der schon über hundert Pfund wog, wurde langsam zu schwer für solche Mätzchen. Doch an diesem Tag, auf den der große Mann so lange gewartet hatte, war alles erlaubt.
    Die Gruppe bog um die letzte Kurve und ging auf das Tor zu. Der Mann dachte an den Jungen, der am Rande des Dorfes wohnte. Dieser Junge würde sich während seiner Abwesenheit um die Hunde kümmern. Jeden Morgen würde er ihnen Futter und frisches Wasser geben und sie bürsten. Der große Mann vertraute dem Jungen. Er vertraute nur wenigen Menschen.
    Als er das Tor erreichte, schloss er es auf, trat hindurch und schaltete den Alarm ein. Die Hunde blieben auf der anderen Seite sitzen. Sie zitterten und jaulten leise vor Kummer. Der kleinste von ihnen und das Alphatier, ein Boxer namens Zeus, legte eine Pfote auf den Maschendrahtzaun.

    Der gemietete Lada Niva stand am Straßenrand. Wie bei der Bezahlung vereinbart, steckte der Schlüssel im Zündschloss. Außer Fahrzeugen, die dem großen Mann gehörten, war noch nie zuvor ein Auto den zwei Meilen langen Weg zum Haus gefahren. Es würde auch niemals ein anderer Wagen dort entlangfahren. Die geräuschlosen Gewichtssensoren unmittelbar unter der Oberfläche des Kiesweges sollten zusammen mit dem hauchdünnen Stolperdraht, der auf dem gesamten Grundstück in einer Höhe von einem Meter zwanzig gespannt war, damit die Hunde nicht darüber stolperten, als Warnung ausreichen. Bis jetzt hatte noch nie jemand hier einzubrechen versucht. Es war wohl eher der Ruf des Mannes, der potentielle Eindringlinge zurückhielt, als die Elektronik.
    Wenn der Alarm in seiner Abwesenheit ausgelöst wurde, wusste Villem Aavik, der Junge von nebenan, ein für sein Alter recht großer und muskulöser Vierzehnjähriger, was er zu tun hatte. Der Junge, dessen Vater im Bosnienkrieg getötet worden war, war stark und clever. Aleks hatte ihm das Schießen beigebracht, und das war für den Jungen nicht einfach, da er bei einem Unfall in der Gießerei einen Finger verloren hatte. Er brachte dem Jungen auch bei, in die Herzen der Menschen zu schauen. Eines Tages würde er ein Meisterdieb oder ein Politiker sein. Einen Unterschied gab es da kaum. Vielleicht würde der Junge auch ebenso wie der große Mann Vennaskond werden.
    Der große Mann stellte die Taschen in den Kofferraum und setzte sich in den Wagen.
    Er schaute die Straße hinunter und spürte die Erregung vor Beginn dieser lange geplanten Reise, die ihn zu seiner Seele führen sollte.

    In der Stille und der Dunkelheit des Mutterleibes waren es drei.
    Anna, Marya und Olga.

    Vier , dachte der große Mann. Seine Mädchen waren jetzt vier Jahre alt. Seit dem Tag ihrer Geburt hatte er keine Nacht mehr tief und fest geschlafen, keinen Atemzug von Gottes Luft geatmet, ohne nach ihnen zu suchen.
    Bis jetzt.
    Endlich hatte er den Mann, der an jenem Morgen da gewesen war, den weißhaarigen Finnen, der ihm in seinen Träumen erschien, aufgespürt. Er würde den Mann in Tallinn treffen, herausfinden, was
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