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Im Netz des Teufels

Im Netz des Teufels

Titel: Im Netz des Teufels
Autoren: Richard Montanari
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desto schlimmer wurde es. So etwas war für niemanden einfach.
    Vorsichtig nahm sie Abby die Waffe aus der Hand und reichte sie Fontova. Sie hörte, dass ihr junger Kollege aufatmete.
    »Es ist vorbei«, sagte Powell leise. »Es ist vorbei.«
    Abby Roman sank zu Boden. Sie drückte ihre zitternde kleine Tochter mit einem Arm an sich und setzte sich so hin, dass sie ihren Mann mit ihrem Körper beschützte. Powell hatte in ihrem Job schon manches Gemetzel gesehen, eine Menge tödlicher und fast tödlicher Verletzungen. Für Michael Roman sah es nicht gut aus.
    Nachdem die Waffen gesichert waren, ging Fontova vor die Tür. Als die Sanitäter das Haus betraten, sank auch Desiree Powell zu Boden. Zwei Mal hatte heute jemand eine Waffe auf sie gerichtet. Sie hätte gerne behauptet, dass sie sich allmählich daran gewöhnte, aber sie hoffte, dass es dazu niemals kommen würde.
    In ihren vierundzwanzig Jahren beim New York Police Department hatte sie vier Mal die Waffe gezogen und zwei Mal abgedrückt. Heute hatte sie zum ersten Mal einen Menschen getötet. Sie hatte gehofft, noch ein Jahr durchzuhalten, ohne diese Erfahrung machen zu müssen, aber das sollte wohl nicht sein. Als sie heute Morgen aufgestanden war, hatte sie nicht gewusst, dass sie am Ende ihrer Schicht zu diesem exklusiven Klub gehören würde.
    Als die Sanitäter sich um die Verletzten kümmerten, schloss Powell die Augen.
    Außerhalb des Hauses ging in New York alles seinen gewohnten Gang. Autos fuhren vorbei, ohne von diesem Drama etwas zu ahnen, und steuerten auf die majestätischen Brücken – Triborough, Neunundfünfzigste Straße, Williamsburg – und auf die Insel Manhattan mit ihren Rätseln aus Stahl und Glas zu, die wie dunkle Finger in den Abendhimmel ragten. Powell hatte einmal gelesen, dass jedes Jahr über vierzig Millionen Menschen nach New York City kamen, alle mit ihren eigenen Träumen und Gedanken und Ideen, wie man die vielen Rätsel der Stadt lösen konnte.
    Und einige, das wusste Desiree Powell nur zu gut, verließen sie kraft Gottes Gnade oder Zorn nie wieder.

58. Kapitel

    Auf der Straße tummelten sich Kinder und Eltern. Ostern in Astoria war eine magische Zeit, in der Michaels Vater sich erweichen ließ und ihm erlaubte, zu La Guli’s zu gehen, der legendären Bäckerei mit den italienischen Gebäckspezialitäten auf dem Ditmars Boulevard in der Nähe der Neunundzwanzigsten Straße. Wenn er dann mit dem Geld in der Hand dort stand, musste Michael sich zwischen Pignoli-Kuchen oder Sfogliatelle entscheiden. Das Leben war nicht leicht.
    An diesem Ostersonntag lag Michael im Bett. Er hatte die Augen geschlossen, und der herrliche Duft von gebratenem Speck, neuen Kartoffeln und Erbsen mit Minze ließ ihm das Wasser im Munde zusammenlaufen.
    Als er die Augen aufschlug, war er mehr als verwundert, als sich eine Frau über sein Bett beugte. Gleich würde sie ihn küssen. Es war nicht Abby.
    Anstatt ihn zu küssen, schob die Frau sein linkes Augenlid hoch und leuchtete mit einem grellen Licht hinein.
    Er war im Krankenhaus. Allmählich kehrte die Erinnerung an den Albtraum zurück.
    Die Mädchen.
    Michael versuchte, sich aufzurichten. Er spürte zwei starke Hände auf seinen Schultern. Als sie ihn sanft zurück aufs Bett drückten, stürmten die Bilder auf ihn ein. Die Sanitäter, die ihn in den Rettungswagen schoben, das Heulen der Sirenen, die Lichter im Operationssaal. Er erinnerte sich an die Schmerzen, die kamen und gingen, spürte das Gewicht auf seiner Brust und dem Unterleib. Er sah seine Frau und seine Töchter in Cape May auf einer Bank sitzen. Hinter ihnen türmte sich eine dunkle Welle auf.
    Er schlief ein.

    Das Zimmer war voller Blumen. Abby stand am Fußende des Bettes. Daneben Tommy.
    »Hi«, sagte Tommy.
    Tommy sah älter aus. Wie lange lag er schon hier? Jahre? Nein , dachte Michael. Das war nur der Stress. Abby war blass und hatte rote Ränder unter den Augen.
    Michael schloss kurz die Augen. Er sah, dass das Monster sich über Emily beugte und ihr das Messer an die Kehle drückte.
    »Die Mädchen«, flüsterte Michael mit schwacher Stimme.
    Abby schaute kurz weg. Michael lief ein eiskalter Schauer über den Rücken, doch dann sah sie ihn wieder an. »Es geht ihnen gut. Sie sind bei meinem Bruder. Sie scheinen sich nicht mehr an viel zu erinnern.«
    Michael wünschte, ihm ginge es genauso. »Ist das gut oder schlecht?« Jedes Wort kostete ihn ungeheuer viel Kraft.
    Abby schwieg. Pflegepersonal lief eilig den Gang
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