Im Namen Des Schweins
den Boden zu spucken.
»Gehen Sie vor die Tür an die frische Luft, das wird Ihnen gut tun.«
Varela lehnt mit einer Bewegung dankend ab. Das Husten wird schwächer. Als die drei ihn nicht mehr weiter beachten, merkt er, dass er feuchte Augen bekommen hat und die rechte Hand voller Schleim ist.
Ein Taschentuch hat er nicht dabei. Daher reibt er sich mit dem Ärmel der Uniform über die Augen und steckt dann die Hand in die Hosentasche, um sie innen am Futter abzuwischen. Gleich darauf spürt er, wie die Feuchtigkeit bis zum Oberschenkel durchschlägt. Nach und nach erholt er sich. Sobald die Atmung wieder ruhig ist, geht er zurück zu den anderen an den Tisch.
Der Kommissar und Prades stehen vor dem Tablett. Berganza sitzt einen halben Meter davon entfernt auf dem Tisch, lässt die Beine baumeln und knetet sein Ohrläppchen. Prades gibt Erläuterungen, und der Kommissar hört mit auf dem Rücken verschränkten Händen zu.
Varela holt tief Luft und geht noch ein Stückchen näher heran. Über die Schulter von Prades, der um einiges kleiner ist als der Kommissar, kann er ein bisschen was sehen. Entscheidend wird sein, sich nicht schlagartig dem Ganzen auszusetzen. Zuerst schaut er nur auf den oberen Teil des Ensembles, wobei er mit Hilfe von Prades Schultern den Rest verdeckt. Nun wagt er es, sich die Augen anzuschauen. Erst eins und dann beide zugleich. Tief eingefallene, leere Augen ohne Wimpern und Augenbrauen, die über dem unteren Lid geschlossen sind. Die Nase sieht an der Spitze ein bisschen rot aus, womöglich ist da ein Blutfleck. Im Mund steckt ein viereckiger Zettel, der die Unterlippe und das halbe Doppelkinn verdeckt. Der Ausdruck ist gleichwohl gelassen, fast selig wie bei einem schlafenden Buddha. An den Seiten des Kopfs, dort wo man die Ohren erwarten würde, liegen die Hände, von denen man – jeweils dicht an den Wangen – den rundlichen, weißen Handrücken sieht. Nur am Schnitt an den Handgelenken sind auf der rosafarbenen Blässe frisches Blut und auch ein paar weißliche Sehnen zu sehen. Die Finger sind leicht gerötet und geschlossen.
Prades redet unterdessen ununterbrochen weiter: »Man sagt, dass der römische Kaiser Elagabal eine Vorliebe für Schweinezitzen hatte. Wie wir alle wissen, waren die Römer ein wenig eigen … Der Eigentümer des Schlachthofs meinte, es sei nicht mehr üblich, Delikatessen dieser Art zu verspeisen, aber so wie es aussieht, hatte unser Künstler die Absicht, uns wie echte Feldherren zu bewirten.«
Varela kann der Versuchung nicht widerstehen, durch den Spalt zwischen Prades und dem Kommissar zu linsen, um sich die ganze Kiste anzusehen. Erst in diesem Augenblick wird ihm mit einem Mal bewusst, dass der Ekel, mit dem er sich aus rein polizeilicher Pflichterfüllung langsam an das Ensemble herantastete, in sensationsgieriges Interesse umgeschlagen ist. Seine Beine zittern. Er spürt eine Mischung aus Aufregung und Scham wie ein kleiner Junge, der voller Eifer einen Käfer quält.
In dieser emotionalen Verfassung betrachtet er noch einmal den Zettel, der im Mund steckt, und die Worte, die darauf stehen: IM NAMEN DES SCHWEINS. Worte, die ihm beim ersten Lesen völlig unverständlich erschienen, aber die mit einem Mal Sinn ergeben. So wie sich ein dunkles Liebesgedicht erst dann erschließt, wenn man eines Tages endlich verliebt ist.
Der Garten der Lüste
Im Paradies
T: Kaukasier, männlich, athletisch gebaut, dunkle Augen, dunkle Haare, dreiundvierzig Jahre alt. T betritt einen koreanischen Selfservice auf der 7. Avenue, Ecke 37. In der Schlange, die sich vor der Waage gebildet hat, steht ein Weißer, zu klein, um Angelsachse zu sein, der sich weigert, die acht Dollar zu bezahlen, die ein alter Mann mit langen Bartfäden, der das Essen abwiegt, von ihm verlangt. Fu Man Chu an der Waage. Beide streiten sich in anschwellender Lautstärke, bis sich ein anderer asiatischer Angestellter auf Wink des Alten nähert und dem kleinen Weißen das Tablett aus der Hand reißt. Durch diese trockene Bewegung landet ein Teil der chinesischen Nudeln auf dem Boden. Der Weiße beginnt herumzubrüllen und nach der Polizei zu rufen: Help me! Police! Da die Polizei gerade mit dringenderen Angelegenheiten beschäftigt sein dürfte, nehmen sich zwei Angestellte in Restaurantuniform der Sache an, schnappen sich den kleinen Weißen und setzen ihn in hohem Bogen an die Luft. T ist als nächster dran. Fu Man Chu wiegt sein Tablett ab und sagt nine fifteen. T zahlt ohne zu
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