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Im Namen der Gerechtigkeit - Roman

Im Namen der Gerechtigkeit - Roman

Titel: Im Namen der Gerechtigkeit - Roman
Autoren: Nagel & Kimche AG
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wurde.
    Magdalenas Gesicht war ausdruckslos. Sie betrachtete die Flamme, weiter nichts, und wie jedes Mal spürte Doni einen Schauder: Würde er die Glasscheibe anhauchen, so dachte er, würde die Kerze verlöschen.
    Das Abendessen verlief wortlos. Claudia hatte sich schließlich für gesalzene Makrelen entschieden. Sie aß schnell, trank eine halbe Flasche Müller-Thurgau und stand noch vor dem Nachtisch auf.
    «Ich habe wahnsinnige Kopfschmerzen», sagte sie. «Macht es dir was aus, den Tisch abzuräumen?»
    «Nein, natürlich nicht.»
    «Halte dich nicht damit auf, das Geschirr zu spülen, das kann warten. Aber du würdest mir einen Gefallen tun, wenn du abräumen könntest.»
    «Keine Sorge. Nimm eine Tablette, vielleicht eine Moment .»
    «Haben wir denn noch welche?»
    «Sieh mal im Bad nach.»
    «Neulich habe ich welche gesehen, doch ich glaube, sie sind abgelaufen.»
    «Du kannst ja mal nachschauen. Falls es so ist, suchen wir eine Apotheke heraus, die Notdienst hat.»
    «Okay.»
    «Es müsste eine ganz in der Nähe geben.»
    «Okay, okay.»
    Claudia ging mit der Hand an der Stirn aus dem Zimmer. Doni stellte die Teller zusammen, räumte sie mit dem Besteck ins Spülbecken, gab einen Spritzer Spülmittel dazu, ließ Wasser einlaufen und schaute dann aus dem Fenster.
    Die Straße war menschenleer und die Nacht mild, mit einem Hauch von Erde in der Luft, als hätte jemand die Stadt aufs Land versetzt. Das Licht der Laternen betupfte die Straße in gleichmäßigen Abständen. Niemand auf dem Gehweg. Ein Vogel schmetterte ein kurzes Lied.
    Als er ins Schlafzimmer kam, lag Claudia schon im Bett und schlief. Sie schnarchte sacht, mit leicht geöffnetem Mund auf der Seite liegend. Durch den Rollladen fielen Lichtstückchen.
    Doni suchte einen Pyjama heraus und knipste die Nachttischlampe an. Claudia murmelte etwas und drehte sich auf die andere Seite. Auf dem Nachttisch stand ein Foto von Elisa. Doni nahm es in die Hand und klopfte zweimal kurz gegen das Glas des Bilderrahmens. Dann schüttelte er den Kopf und fuhr mit dem Zeigefinger rings um das Gesicht seiner Tochter. Er löschte das Licht und ging zu Bett.

4
    ZWEI TAGE SPÄTER klopfte es an Donis Bürotür. Es war früher Nachmittag und sehr heiß. Die Temperaturen waren in die Höhe geklettert.
    Die Flure des Justizpalasts waren von körnigem Licht durchflutet, und der abgestandene Geruch nach Zigarettenrauch im Treppenhaus war nun fast unerträglich. Alles schien noch statischer zu sein als sonst, ein Schwebezustand, der schon an Schönheit grenzte, der reinste De Chirico: eine Metaphysik, die ihren Höhepunkt im Sommer erreichen sollte, wenn Doni durch die ungemein hohen, menschenleeren Flure ging wie durch die Straßen einer Stadt in der Stadt.
    «Herein», sagte er.
    Eine blonde, junge Frau um die zwanzig trat ein. Sie drehte sich kurz um und überlegte, ob sie die Tür schließen sollte, dann tat sie es, schnellte wieder nach vorn und blieb stehen.
    Wieder so etwas, was die Leute nicht wussten oder nie für möglich halten würden. Die Verrückten. Die Stammgäste, wie ein Kollege sie nannte.
    Eigentlich konnte jeder x-Beliebige in den Justizpalast gelangen. Natürlich gab es eine Eingangskontrolle, doch an der vorbeizukommen, war nicht schwer. Doni hatte schon öfter Besuch gehabt, von Größenwahnsinnigen, von verkalkten Greisen, von Obdachlosen, die von Weltverschwörungen faselten, und sogar von einem kleinen Jungen, der während einer Besichtigung seine Schulklasse verloren hatte.
    Immer wieder beherbergte der Palazzo einen Unbefugten. Jemanden, dessen Anwesenheit nicht erlaubt war, dem es aber trotzdem gelungen war, in den Bauch der Justiz einzudringen – weniger ein Bakterium als vielmehr eine Zelle, die aus einer anderen Welt hereingeschneit war, ein harmloses, doch illegales Element.
    Immer wieder klopfte zuweilen jemand an die Tür der Richter und Staatsanwälte und gab seinen Senf zum Besten. Er fragte, redete, quasselte, egal was. Wie war das nur möglich? Doni verstand es nicht. Doch vielleicht gehörte auch das zur Logik des Palazzos, dieser Zone, in der die Regeln unsicher waren, das ganze Gegenteil von dem, was er sein sollte: Nägel und Risse, wie immer.
    Die junge Frau sah ihn an, ohne zu lächeln.
    «Dottor Doni?», fragte sie.
    «Ja. Und wer sind Sie?»
    «Elena Vicenzi, Journalistin. Ich habe Ihnen vor zwei Tagen eine Mail zum Fall Ghezal geschrieben.»
    Doni kniff kurz die Augen zusammen, dann erinnerte er sich. Sie hatte nicht viel
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