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Im Namen der Gerechtigkeit - Roman

Im Namen der Gerechtigkeit - Roman

Titel: Im Namen der Gerechtigkeit - Roman
Autoren: Nagel & Kimche AG
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gehört?»
    «Was? Ja. Das heißt …»
    «Eine kühne Wahl», sagte sie lächelnd. Während sie sich den Mantel auszog, beugte sie sich vor und warf einen Blick auf den Teller. «Du hast schon gegessen?»
    «Nein, nein.» Doni hustete, damit seine Stimme kräftiger wurde. «Ich wollte nur einen Aperitif trinken, doch wie es aussieht, bin ich vorher eingeschlafen.»
    Claudia ging um die Couch herum und kam zu ihm. Sie schien gute Laune zu haben und war schöner als am Morgen. Sie nahm eine Scheibe Schinken und biss hinein.
    «Wie war dein Tag?», fragte sie.
    «Wie immer.»
    «Hast du immer noch so viel zu tun?»
    «Nicht besonders. Nach dem Santarelli-Prozess scheint alles leichter zu sein.»
    «Das kann ich mir vorstellen.» Sie zog sich die Schuhe aus. «Aber bei mir ist es anstrengend, weißt du. Sie haben mir da diese neue Sekretärin gegeben, die hat von Tuten und Blasen keine Ahnung, das kannst du mir glauben. Sie mag vielleicht dreißig, zweiunddreißig sein. Was weiß ich. Doch es ist schon ein Wunder, wenn sie es schafft, ein Fax abzuschicken.»
    Doni schwieg. Er wusste nicht, was er darauf antworten sollte.
    Seine Frau schnaufte. «Gut», sagte sie. «Was möchtest du essen?»
    «Ich weiß nicht. Pasta?»
    Claudia verzog das Gesicht. «Die hatte ich schon zu Mittag. Wir waren in einer hübschen, neuen Bar, nicht weit vom Büro. Da ist die Pasta noch hausgemacht, stell dir vor.»
    «Salat?»
    «Nein, doch keinen Salat, ich habe Hunger.»
    «Tja … Dann eben was anderes.»
    «Gut, mal sehen, ich lass mir was einfallen.»
    Sie stand auf und ging ins Schlafzimmer. Die letzten Takte der Sinfonie klangen unbehaglich, und Doni fragte sich, wie er mit dieser Geräuschkulisse hatte einschlafen können. Er schaltete die Musik aus und rieb sich das Gesicht mit den Fäusten.
    Claudia kam in Jeans und T-Shirt zurück. Sie ging in die Küche.
    «Ach, übrigens, ich habe mit Elisa telefoniert», sagte sie im Vorübergehen.
    «Aha», sagte Doni.
    «Sie kämpft immer noch um die Verlängerung ihres Stipendiums. Wie nervig.»
    Doni schwieg. Das Klappern von Töpfen und Tellern.
    «Ist auch in Amerika immer das Gleiche», rief Claudia. «Man könnte meinen, das ist nur in Italien so, aber eigentlich ist da gar kein Unterschied.»
    «Na ja, wenigstens haben sie sie bis jetzt bezahlt, und gar nicht mal so schlecht.»
    «Wie?»
    «Ich sage», wiederholte Doni, «bis jetzt haben sie sie ja bezahlt. Und gar nicht mal so schlecht. Oder?»
    Claudia antwortete nicht. Doni dachte daran, dass er schon seit Monaten keinen Anruf mehr von seiner Tochter erhalten hatte und dass seine beiden letzten Mails unbeantwortet geblieben waren. Claudia wusste das. Unbekümmert rieb sie ihm ihren besonderen Draht zu Elisa unter die Nase – jaja, die Damen des Hauses, immer dasselbe, und er der arme Roberto, der arme Papa, unflexibel im Gegensatz zu ihrer weiblichen Energie, vernunftbetont und ein bisschen verbohrt im Gegensatz zu ihrer geistigen Offenheit, langsam und systematisch im Gegensatz zu ihrer farbenkräftigen Klugheit – vor allem zur Klugheit Elisas, die nun an der Indiana University Bloomington im Nordosten der Vereinigten Staaten Physik studierte, während sie in Italien versauerten.
    Rutscht mir doch beide den Buckel runter, dachte Doni. Er wusch sich die Hände und ging in sein Arbeitszimmer, zur Magdalena .
    Über seinem Schreibtisch hing eine große Reproduktion von Georges de La Tours Magdalena . Diesen Künstler liebte er. Von Malerei verstand er nichts, doch seitdem er im Palazzo Reale eine Ausstellung mit dessen Werken gesehen hatte, war er begeistert von ihnen. Sie gefielen ihm aus einem einfachen, fast schon idiotischen Grund: Sie waren voller Kerzen. Auf den Bildern von La Tour hatte das Licht stets etwas Zartes, etwas, das beschützt werden musste.
    Doni stützte sich mit den Händen auf die Rückenlehne des Bürostuhls und betrachtete seine Magdalena . Zwei Jahre zuvor hatte sie noch im Schlafzimmer gehangen, doch eines Tages hatte Claudia, während sie ihren Pyjama anzog, beschlossen, dass sie ihr nicht mehr gefiel. Sie führte ihre letzten Träume (aufwühlende Albträume) auf die Düsternis des Gemäldes zurück und bat Doni, es abzunehmen.
    Er sah sich das Bild aus der Nähe an. Die Frau war der Kerze zugewandt, deren Licht den Raum ringsumher spärlich erleuchtete. Ihre linke Hand stützte das Kinn, die Rechte in ihrem Schoß lag auf einem Totenschädel, der auf ihrem roten Rock fast von der Dunkelheit verschluckt
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