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Im Mond des Raben

Im Mond des Raben

Titel: Im Mond des Raben
Autoren: Lucy Monroe
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über Felsen rauschte, und ihr Innerstes genauso aufgewühlt zurückließ.
    Fast wäre ihr herausgerutscht: Oh ja, mir ist gerade wieder eingefallen, dass du mein Feind bist! , und sie wollte sich seinen Armen schon entziehen, aber dann beherrschte sie sich doch. Ihre Erfahrung hatte sie gelehrt, ihre Furcht und jede andere Emotion zu verbergen, während sie ihr Volk beschützt hatte, und diese Erfahrung verlieh ihr auch nun die Kraft, nach außen hin völlig ungerührt zu bleiben. Ihr Ziel musste stets im Mittelpunkt ihrer Überlegungen stehen, und dieses Ziel erforderte, dass Barr sie für eine menschliche Frau und für schwach und zerbrechlich hielt.
    »Nein. Ich dachte nur gerade an Euren Clan«, erwiderte sie, was zwar nicht die ganze Wahrheit, aber auch keine Lüge war.
    Sie musste ihn täuschen, um ihr Volk zu retten, doch sie war kein Wolf und würde daher nicht allein der Zweckdienlichkeit wegen lügen.
    »Sie werden Euch nichts zuleide tun.«
    »Seid Ihr Euch da sicher?«
    »Das würden sie nicht wagen. Ihr steht unter meinem Schutz.«
    Unerklärlicherweise verkrampfte sich ihr Herz, und für einen winzigen, unglaublichen Moment verdrängte Freude das Leid, das ihre Vergangenheit ausgemacht hatte. Noch nie zuvor hatte ihr jemand Schutz versprochen. Wenn der stärkste der Faol-Krieger es täte, würde sie ihm sagen, sie könne sich selbst beschützen, und auch keinen Zweifel daran hegen.
    Aber dieser Mann hier, dieser Wolf, war mächtiger als jeder Chrechte, dem sie je begegnet war. Er könnte sie beschützen. Wäre er wirklich und wahrhaftig ihr Beschützer, könnte er sogar ihrem Volk Schutz gewähren.
    Doch kein Faol hatte je den Hüter der Éan gespielt, und keiner würde es auch jemals tun.
    »Ihr beansprucht sie also für Euch?«, fragte der andere Donegal’sche Wolf im gleichen respektvollen, ja schon an Ehrfurcht grenzenden Ton, in dem er jedes Mal mit Barr gesprochen hatte.
    Da der hünenhafte Krieger, der Sabrine trug, nichts erwiderte, beschloss sie, an seiner Stelle zu antworten. »Niemand erhebt Anspruch auf mich.«
    Der junge Mann namens Muin warf ihr einen Blick zu, der ihr deutlich zu verstehen gab, dass ihre Worte weit weniger Gewicht besaßen als das Handeln seines Herrn.
    Worauf sie stirnrunzelnd zu Barr aufblickte. »So ist es doch, oder?«
    »Im Moment nehme ich Euch mit heim, um Eure Wunden zu versorgen.«
    »Richtig. Gut.« Ihr Kopf wippte auf und nieder, und sie zwang sich, damit aufzuhören. »Keine Beanspruchung.«
    »Fürs Erste nicht.«
    Zuerst schnappte sie nach Luft, dann funkelte sie die Männer böse an, aber Muin grinste nur, und Barr beachtete sie beide nicht.
    »Überhaupt nie«, fauchte sie.
    Barr blieb stehen und blickte mit aufgewühlten grauen Augen auf sie herab. »Ihr wollt keine Kinder?«
    Ihr Herz verkrampfte sich erneut, doch dieses Mal vor Schmerz. Obwohl jedem Éan von Geburt an beigebracht wurde, dass Kinder in die Welt zu setzen der einzige Weg war, ihre Zukunft als Rasse zu gewährleisten, hatte Sabrine schon vor langer Zeit beschlossen, kinderlos zu bleiben.
    »Ich würde keine Kinder in die Welt setzen, nur um sie als Waisen zurückzulassen, wenn ich sterbe.«
    »Was für ein makabrer Gedanke!«
    Vielleicht war es das für ihn, aber Barr war ja auch ein Wolf und kein Rabe. Niemand jagte seine Spezies, um sie auszumerzen. »So ist die Welt nun mal.« Ihre Welt zumindest.
    »Nicht alle Kinder wachsen als Waisen auf. Nicht einmal die meisten.«
    »Unter meinen eigenen Leuten sind es genug .«
    »Das wisst Ihr noch, aber nicht, wer Eure Leute sind?«, fragte er spöttisch.
    Sie wandte den Kopf ab, denn jede Lüge, die sie ihm noch würde auftischen müssen, war schon jetzt wie Galle in ihrem Mund.
    »Ist es nicht eher so, dass Ihr Euch sehr wohl an Euren Clan erinnert und es nur nicht wollt? «, hakte er nach und schien sehr stolz darauf zu sein, dass er sich das zusammengereimt hatte. Auch wenn es nicht stimmte.
    In gewisser Weise hatte er jedoch auch recht: Sabrine wollte sich nicht an die Dezimierung erinnern, die ihre Leute durch die Hand der seinen erlitten hatte.
    Deshalb schwieg sie einfach.
    »Ihr werdet es mir schon noch sagen.«
    »Was soll ich Euch sagen?«
    »Alles.«
    »Nein.« Selbst in ihren eigenen Ohren enthielt dieses einzelne Wort genug Entsetzen, um ein kleines Dorf damit zu überschwemmen.
    Barrs Gesicht verdüsterte sich nicht; er zuckte nur mit den Schultern und stieß sie ein wenig an, damit das Plaid, das sie bedeckte, gerade weit genug
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