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Im Licht der roten Erde

Im Licht der roten Erde

Titel: Im Licht der roten Erde
Autoren: Di Morrissey
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den Beifahrersitz, suchte im Autoradio nach FM , dem Sender mit ihrer Lieblingsmusik, und hörte die Acht-Uhr-Nachrichten. FM hatte keine Bedenken, die Bräuche der Aborigines zu missachten.
     
    In der Kimberley … berühmte Aborigine-Künstlerin Florence Namurra … besser bekannt als Florrie, die alte Dame des Outback … ist gestorben. Florrie hat noch nicht verkaufte Kunstwerke von unschätzbarem Wert hinterlassen. Bedeutende Galerien in Übersee haben bereits damit begonnen, für die Bilder zu bieten, ausgegangen wird von einem Stückpreis von bis zu dreihunderttausend Dollar.
     
    Susan stellte das Radio leise, um sich auf ihren Auftritt vor dem Familienrichter zu konzentrieren. Sie hatte ein gutes Gefühl, was den Ausgang des Falls betraf: Ihre Argumentation war tadellos, sie hatte sorgfältig die Fakten zusammengetragen und ihrem Klienten klare Anweisungen gegeben, wie er sich zu verhalten hatte. Außerdem war seine Frau eine alkoholabhängige Schlampe, da hatte er das Sorgerecht für die Kinder doch wohl verdient.
     
     
     
    Die Schwestern hatten das ausgesetzte Mädchen Sunny genannt. Jeder, der den kleinen Sonnenschein sah, musste lächeln. Die Frau von der Fürsorgestelle für Aborigine-Kinder, die gekommen war, um das Baby abzuholen, zuckte die Achseln, als sie den Namen auf der Kennkarte über dem Krankenhausbettchen sah. Sie wusste, dass das Kind später bei der üblichen Zeremonie, die sie mit ihrem Volk und ihrem Land vereinigte, einen anderen Namen bekommen würde. Ob Vater oder Mutter Aborigine waren, spielte dabei keine Rolle, sie würde ihr Erbe einfordern können, dachte Joyce Guwarri. In der Gemeinschaft der Aborigines bestünde kein Zweifel daran, dass das Baby zu ihnen gehörte, genau wie kein Zweifel daran bestand, dass der Vater Aborigine war: Keine Aborigine-Mutter hätte ihr Kind verlassen, das wusste Joyce.
    Das Baby war warm angezogen und hatte alle vier Stunden vom Pflegepersonal ein Fläschchen bekommen. Das Tuch, das um die Kleine geschlungen gewesen war, lag gewaschen und zusammengefaltet am Fußende des Bettchens. Joyce nahm es, schüttelte es auseinander und betrachtete die Eulen, die ihres Wissens eine Traumgeschichte erzählten. Aber wessen
dreaming
stellten sie dar?
     
    Alan Carmichael löschte die Lichter in seiner Galerie, aktivierte den Alarm und schloss ab. Die Straße war nass, und schräg herabfallende Regenschleier trübten das Licht der Straßenlaternen, die kleine Lichtpfützen auf den Gehsteigen schimmern ließen. Passanten hasteten mit hochgezogenen Schultern durch die späte Abenddämmerung heimwärts. Achselzuckend zog er sein Tweed-Jackett über der Brust zusammen und fuhr sich mit den Fingern durch das dunkle Haar, das in der Straßenbeleuchtung verfrühte Anzeichen von Silber erkennen ließ. Er zögerte, dann wandte er sich zur Exhibition Street und winkte einem Taxi. »Preston. Chambers Street.«
    Der Fahrer warf ihm einen fragenden Blick zu, als sie vor einem verwinkelten Haus mit wehender Flagge – ein schwarzer und ein roter Blockstreifen mit einer gelben Scheibe darin – sowie einem Schild mit der Aufschrift »Fürsorgestelle für Aborigine-Kinder« anhielten.
    Drinnen fühlte er sich sogleich willkommen. Keine Formalitäten. Eine Tasse Tee, eine gesprächige Rezeptionistin – eine
koori
aus Victoria oder New South Wales –, dann eine strahlende Sozialarbeiterin.
    »Was kann ich für Sie tun?« Joyces Blick war offen. Dieser elegante Weiße um die vierzig, der etwas von einem Künstler an sich hatte, zählte nicht zu den üblichen Besuchern.
    »Ich wollte Ihnen ein paar Fragen stellen über das Baby, das in der Kunstgalerie ausgesetzt wurde.«
    »Wenn Sie über eine Adoption nachdenken, muss ich Sie leider enttäuschen. Die Kleine ist kein Kind für weiße Leute. Sie ist eine Aborigine, und sie wird zu ihren Angehörigen kommen.«
    Er lächelte. »Ein befreundeter Polizist hat mich angerufen, ein Aborigine-Sergeant, und um meine Hilfe gebeten.«
    »Sie sind ein Detective?« Ihre Herzlichkeit kühlte leicht ab.
    »Nein, keineswegs. Ich betreibe eine Galerie für Aborigine-Kunst. Er dachte, ich wäre vielleicht in der Lage, die Muster auf dem Babytuch zuzuordnen.«
    Joyces Misstrauen schwand. »Oh, das würde uns sehr helfen. Wir sind nämlich mit unserer Weisheit am Ende und völlig ratlos, was die Familie anbelangt. Die arme Mutter, es muss schwer für sie gewesen sein, so ein süßes Ding abzugeben.«
    Sie gingen an einem Speisesaal vorbei,
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