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Im Licht der roten Erde

Im Licht der roten Erde

Titel: Im Licht der roten Erde
Autoren: Di Morrissey
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gespannten T-Shirt gelandet war.
    »Dann magst du die Aborigines also nicht?«
    »Persönlich hab ich nichts gegen die, hatte noch nie was mit ihnen zu tun. Aber zum Teufel, ich les doch die Zeitungen. Dieser ganze Aborigine-Aufstand ist eine Schweinerei, und zwar seit Jahren. Wie ich schon sagte: Verschwendung von Steuergeldern.«
    »Nun, wir können sie nicht zurückschicken, so viel steht fest«, sagte die Kellnerin schmunzelnd. »Es ist jetzt unser Land, also müssen wir wohl damit leben. Die haben wir am Hals wie ich meine Schwiegermutter.«
    »Das stimmt, aber wir müssen sie ja nicht auch noch sonntags zum Mittagessen einladen. Das Beste für das Baby wäre, es käme zu einem anständigen australischen Ehepaar, das keine Kinder kriegen kann – wenn es ihnen nichts ausmacht, dass es dunkle Haut hat.«
    »Sie könnten ja immer noch behaupten, es käme von den Inseln«, schlug die Kellnerin vor.
    »Tja, das ist nicht unser Problem. Gutes Essen, Cheryl. Was bin ich dir schuldig?«
    »Zwölf Dollar. Kommst du nächste Woche wieder vorbei?«
    »Schätze schon. Es sei denn, ich hab mal Glück und gewinne im Lotto. Bis dann, Schätzchen.«
    Der Lastwagenfahrer schob seine Geldbörse in die Tasche des Neopren-Getränkekühlers, den er auf dem Rücken trug. Gelb-schwarze Football-Socken bauschten sich über seinen Blundstone-Schuhen. Er überquerte die Straße und öffnete die Kabinentür des staubverschmierten, mit sechzig Tonnen beladenen Kenworth T 600 . Mit einem Griff in die Hose richtete der
truckie
seine Eier, während er sich mit der anderen Hand hochzog und auf den Fahrersitz schwang. Er drehte den Zündschlüssel, lauschte dem vertrauten Zischen, wenn die Luft aus den Bremsen wich, schob eine Slim-Dusty-Kassette in den Rekorder, legte den ersten Gang ein, trat aufs Gaspedal und schob sich vorsichtig auf den Highway.
     
    Slim und er fielen gerade in den zweiten Refrain ein, als er hinter sich eine Bewegung wahrnahm. In der Schlafkoje hinter den Vordersitzen, die seine Frau mit einer kleinen Gardine abgetrennt hatte, regte sich etwas. Der
truckie
verlagerte sein Gewicht und blickte über die Schulter. »Verflucht!« Der T 600 geriet leicht ins Schleudern, und er packte das Lenkrad und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die Straße, dann drehte er sich erneut nach hinten.
    Zwischen der geteilten Gardine blickte ihm das blasse, verängstigte Gesicht eines Teenagers entgegen. Sein erster, spontaner Gedanke war: Das riecht nach Ärger. Die Männer auf dem Highway hatten eine Nase dafür.
    »Wer zum Teufel bist du? Du hättest verdammt noch mal fragen können, ob du mitfahren darfst. Komm da raus.« Er deutete auf den Platz neben sich. Ohne Widerspruch kletterte das Mädchen zwischen den Sitzen hindurch auf die Beifahrerseite und kauerte sich dicht an die Tür.
    Der
truckie
warf ihr einen raschen Blick zu und schaute wieder auf die Straße. Sie sah krank aus, hatte rote, verquollene Augen und war ungekämmt. Du lieber Gott, nicht auch noch eine Drogensüchtige! »Du musst nicht kotzen, oder?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Es geht schon, ich bin nur hungrig.« Ihre Stimme klang sanft, wohl artikuliert. Vermutlich war sie von zu Hause abgehauen oder von einem Freund. Sie konnte nicht viel älter als siebzehn sein. In diesem Alter nahm man sich Liebesdinge noch sehr zu Herzen. »Im Handschuhfach ist Schokolade. Bedien dich.«
    Schweigend fuhr er weiter, während sie damit beschäftigt war, das Einwickelpapier aufzureißen und kleine Vierecke Frucht & Nuss in sich hineinzustopfen. Sie schob noch mehr Schokostücke in ihren vollen Mund, dann drehte sie sich zu ihm um und hielt ihm den Rest hin.
    »Kannste behalten. Hab gerade erst gefrühstückt. Sieht aus, als könntest du’s vertragen.«
    Sie nickte und konzentrierte sich aufs Essen.
    Als sie fertig war, knüllte sie das Papier zusammen und bedankte sich.
    »Also, was ist los? Warum hast du dich da hinten versteckt? Weshalb hältst du nicht draußen den Daumen raus? Wohin willst du überhaupt?«
    »Sydney. Wie weit fahren Sie?«
    »Das ist dein Glückstag. Eigentlich dürfen wir nämlich gar keine Anhalter mitnehmen. Bringt mich bei meiner Firma in Teufels Küche. Macht zu viele Probleme.«
    »Ich werde Ihnen keine Probleme machen.«
    Der Fahrer grinste bei der Vorstellung, wie dieser Hungerhaken von Mädchen ihm zu Leibe rückte, doch als er sah, wie ihre Tränen zu fließen begannen, sagte er mit fester Stimme: »Jetzt fang mal nicht an zu heulen. Es macht
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