Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Land des weiten Himmels

Im Land des weiten Himmels

Titel: Im Land des weiten Himmels
Autoren: J Wolfe
Vom Netzwerk:
Lieberman, um Gottes willen! Hannah … Wie konnte das passieren? Ich hab dir doch tausendmal gesagt, du …«
    »Das war kein Versehen, Mr Smith!« Ron Lieberman war ebenso rot im Gesicht wie der Wirt. »Das hat sie mit Absicht getan! Das kleine Flittchen wollte mir eins auswischen! Diese Frechheit lasse ich mir nicht gefallen!«
    »Er hat mich angetatscht«, erklärte Hannah schluchzend.
    »Ich hab ihr einen Klaps gegeben. Ist das vielleicht verboten?«
    »Pack deine Sachen!«, sagte Henry Smith zu ihr.
    »Wie bitte?« Hannah verstand die Welt nicht mehr. »Er hat die Hand unter meinen Rock geschoben und …« Ihr wurde erst jetzt klar, dass ihr das ganze Lokal zuhörte und neugierige Blicke auf ihr ruhten. So ein Schauspiel bekam man nicht alle Tage in einem Restaurant geboten. »Sollte ich mir das etwa gefallen lassen? Ich bin kein leichtes Mädchen! Und auch ein Gentleman …« Sie betonte das Wort abfällig. »… und auch ein Gentleman wie Ron Lieberman kann sich nicht alles erlauben. Er sollte sich entschuldigen.«
    Der Brauereibesitzer lachte entgeistert. »Ich soll … was ? Den Teufel werde ich tun! Ich werde Ihnen die Rechnung für die Reinigung schicken und Ihr Restaurant erst wieder betreten, wenn diese …, diese Person, nicht mehr für Sie arbeitet. Haben Sie mich verstanden, Mr Smith? Mit einem Mann, der seine Angestellten nicht im Griff hat, kann ich nicht zusammenarbeiten. Leben Sie wohl!« Er schob sich hinter dem Tisch hervor, griff sich seinen Mantel und verschwand.
    »Ein Missverständnis, meine Damen und Herren«, beeilte sich Henry Smith, den anderen Gästen mitzuteilen. »Ich bitte, die ungewollte Störung zu entschuldigen, und werde mich bei jedem Gast mit einem …« Er zögerte einen Augenblick. »… bei jedem Gast mit einem kühlen Ginger Ale entschuldigen.«
    Die Leute waren es zufrieden und wandten sich wieder ihren Unterhaltungen zu. Nur ein neugieriger Geschäftsmann beobachtete, wie Henry Smith seine Bedienung am Arm packte und durch die Pendeltür in den Gang führte. »Packen Sie die Arme nicht zu hart an, Smith. Sie trifft keine Schuld. Der Lüstling wollte ihr an die Wäsche, das hat doch ein Blinder gesehen.«
    »Da hören Sie es! Lieberman hat mich angetatscht!«
    »Und selbst wenn …« Henry Smith holte missmutig Gläser aus dem Schrank und begann Ginger Ale einzufüllen. »Das harmlose Getatsche hätte dich nicht umgebracht, und mir hätte es dabei geholfen, einen lukrativen Deal mit ihm abzuschließen, sobald sie das Alkoholverbot wieder aufheben.«
    »Das dauert bestimmt noch eine Weile«, mutmaßte der Geschäftsmann.
    »Ein paar Monate … höchstens, wenn sich die Opposition weiter so ins Zeug legt. Die Prohibition ist schlecht für das Wachstum, das hat die Regierung doch längst erkannt. Sobald sich einer traut, gegen die fanatischen Kirchenvertreter und Eiferer anzutreten, ist das verfluchte Gesetz vom Tisch.« Er holte einen neuen Kasten mit Ginger Ale aus der Kühlkammer und schenkte weiter ein. Er blickte Hannah vorwurfsvoll an. »Hey, willst du mir nicht helfen?«
    »Ich denke, Sie haben mir gekündigt?«
    »Das war doch nicht so gemeint!« Er schob ihr eine volle Flasche hin. »Mr Lieberman wird sich schon beruhigen.« Er rang sich zu einem schwachen Lächeln durch, wurde aber gleich wieder ernst. »Die Ginger Ales gehen auf mich. Aber das Geld für die Reinigung ziehe ich dir vom Lohn ab. Ich hoffe nur, dass er uns nicht verklagt.«
    »Er … uns? Er hat mich belästigt!«
    »Und er wird das Gegenteil behaupten. Was glaubst du, wem das Gericht glauben wird? Einer armen Bedienung oder einem reichen Unternehmer? Du kannst froh sein, wenn es bei dem Geld für die Reinigung bleibt.«
    »Ich denke nicht daran, die zu bezahlen.«
    »Wie bitte?«
    »Und Sie sollten es auch nicht tun.«
    »Dann kannst du gleich gehen!«
    Sie stellte die Flasche hin, die sie in der Hand gehalten hatte und band ihre Schürze ab. »Wenn Sie meinen. Auf Ihre Almosen bin ich sowieso nicht angewiesen.« Das war zwar gelogen, aber im Augenblick war es ihr vollkommen egal, welche Folgen ihr Verhalten hatte. Sie warf die Schürze in die Ecke und wandte sich zur Tür.
    »Halt! Warte doch!«, hielt er sie zurück. Sie zögerte, und er senkte den Kopf und gab klein bei. »In Ordnung, du brauchst die Reinigung nicht zu bezahlen, aber wenn du weiter so verschlafen durch die Gegend läufst, kündige ich dir trotzdem. Und jetzt schenk endlich das verdammte Ginger Ale ein.«

2
    Mitternacht war schon
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher