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Im Land der weissen Rose

Im Land der weissen Rose

Titel: Im Land der weissen Rose
Autoren: Sarah Lark
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Dienstherren der
Mädchen eine mindestens ebenso umfangreiche Korrespondenz führen
wie die heiratswilligen jungen Damen mit ihren künftigen
Gatten.«
    Mrs. Greenwood runzelte indigniert die Stirn. »Du nimmst
mich nicht erst, Robert!«, tadelte sie ihren Mann.
    Â»Selbstverständlich nehme ich dich ernst, meine Liebe.«
Mr. Greenwood lächelte. »Wie könnte ich dem
ehrenwerten Waisenhauskomitee etwas anderes unterstellen als die
besten und lautersten Absichten. Außerdem werdet ihr eure
kleinen Zöglinge ja wohl nicht ohne jede Aufsicht nach Übersee
schicken. Vielleicht findet sich unter den heiratswilligen jungen
Damen eine vertrauenswürdige Person, die sich für einen
kleinen Zuschuss des Komitees an den Kosten für die Überfahrt
um die Mädchen kümmert ...«
    Mrs. Greenwood äußerte sich nicht dazu, und Helen
schaute wieder krampfhaft auf ihren Teller. Sie hatte den
schmackhaften Braten kaum angerührt, mit dessen Zubereitung die
Köchin vermutlich den halben Tag verbracht hatte. Doch den
forschenden, amüsierten Seitenblick Mr. Greenwoods bei dessen
letzter Bemerkung hatte Helen sehr wohl bemerkt. Das Ganze warf
völlig neue Fragen auf. Beispielsweise hatte Helen sich bisher
gar nicht vor Augen geführt, dass eine Überfahrt nach
Neuseeland natürlich auch bezahlt werden wollte. Konnte man ohne
schlechtes Gewissen seinen künftigen Gatten dafür aufkommen
lassen? Oder erwarb er damit schon Rechte an einer Frau, die ihm
eigentlich erst zustanden, wenn von Angesicht zu Angesicht das Jawort
gesprochen war?
    Nein, diese ganze Neuseeland-Geschichte war verrückt. Helen
musste sie sich aus dem Kopf schlagen. Es war ihr nicht bestimmt,
eine eigene Familie zuhaben. Oder doch?
    Nein, sie durfte nicht mehr daran denken!
    Doch in Wahrheit dachte Helen Davenport in den nächsten Tagen
an nichts anderes mehr ...
    Â 

2
    Â»Wollen Sie die Herde gleich sehen, oder nehmen wir erst mal
einen Drink?«
    Lord Terence Silkham begrüßte seinen Besucher mit einem
kräftigen Händedruck, den Gerald Warden nicht minder fest
erwiderte. Lord Silkham hatte nicht so recht gewusst, wie er sich
einen Mann vorstellen sollte, der ihm von der Züchtervereinigung
in Cardiff als »Schaf-Baron« aus Übersee avisiert
worden war. Doch was er nun sah, gefiel ihm nicht schlecht. Der Mann
war für das Wetter in Wales zweckmäßig, aber durchaus
modisch gekleidet. Seine Breeches waren von elegantem Schnitt und aus
gutem Stoff, der Regenmantel aus englischer Produktion. Klare blaue
Augen blickten aus einem großflächigen,ein wenig kantigen
Gesicht,das zum Teil von einem breitkrempigen, für die Gegend
typischen Hut verdeckt wurde.Darunter lugte volles braunes Haar
hervor, nicht kürze rund nicht länger getragen, als es in
England üblich war. Kurz und gut, nichts an der Erscheinung
Gerald Wardens erinnerte auch nur im Entferntesten an die »Cowboys«
aus den Groschenheftchen, in denen einige Dienstboten seiner
Lordschaft – und zum Entsetzen seiner Gattin auch seine
ungeratene Tochter Gwyneira! – gelegentlich schmökerten.
Die Verfasser dieser Schundliteratur schilderten blutrünstige
Kämpfe amerikanischer Siedler mit hasserfüllten
Eingeborenen, und die ungelenken Zeichnungen zeigten verwegene
Jünglinge mit langem, ungezähmtem Haarschopf, Stetson,
Lederhosen und seltsam geformten Stiefeln, an denen angeberisch lange
Sporen befestigt waren. Obendrein waren die Viehtreiber schnell mit
ihrer Waffe bei der Hand, die man »Colt« nannte und die
in Halftern an lockeren Gürteln getragen wurden.
    Lord Silkhams heutiger Gast jedoch trug keine Waffe am Gürtel,
sondern eine Taschenflasche Whiskey, die er jetzt aufschraubte und
seinem Gastgeberanbot.
    Â»Ich würde sagen, das hier reicht fürs Erste zur
Stärkung«, sagte Gerald Warden mit tiefer, angenehmer,
befehlsgewohnter Stimme. »Heben wir uns weitere Drinks für
die Verhandlungen auf, wenn ich die Schafe gesehen habe. Und was das
angeht, machen wir uns besser rasch auf den Weg, bevor es wieder
regnet. Hier, bitte.«
    Silkham nickte und nahm einen kräftigen Zug aus der Flasche.
Erstklassiger Scotch! Kein billiger Fusel.Auch das nahm den
hochgewachsenen, rothaarigen Lord für seinen Besucher ein. Er
nickte Gerald zu, griff nach seinem Hut und seiner Reitpeitsche und
stieß einen leisen Pfiff aus.Als hätten sie darauf
gewartet,
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