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Im Land der tausend Sonnen

Titel: Im Land der tausend Sonnen
Autoren: Patricia Shaw
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als die übrigen Gestalten, die in dem Gasthaus wohnten, daher war ich froh über seine Gesellschaft, wenn auch nur aus Gründen der Sicherheit. Lieber Gott, ich denke nur an mich selbst, und der arme Herr Haupt …«
            »Was wollten Sie sagen?«
            »Wir führten ein gutes Gespräch beim Abendbrot, doch als es ans Zahlen ging, stellte ich fest, dass Herr Haupt kein Geld hatte.«
            Der Inspektor seufzte.
            »Ich musste also für uns beide bezahlen. Wie sich herausstellte, war Herr Haupt ins Unglück geraten. Er hoffte darauf, für die Überfahrt nach London auf einem Schiff arbeiten zu können, wo, wie er sagte, Bühnenkünstler gute Chancen haben.«
            »Stammte er aus dieser Gegend?«
            »Nein. Er war nicht von hier. Dessen bin ich mir sicher. Ich bin überaus nervös, mein Herr, wegen dieses schrecklichen Mords und der Notwendigkeit, rechtzeitig an Bord zu kommen. Mag sein, dass er gesagt hat, woher er kam, aber ich erinnere mich einfach nicht.«
            »Wo hat er gewohnt?«
            »Er hatte keine Unterkunft. Er bat mich um Geld, doch ich konnte ihm nichts geben. Am nächsten Tag sah ich ihn wieder, und da er mir Leid tat, lud ich ihn auf mein Zimmer ein, um Brot und Wurst und ein wärmendes Glas Wein mit ihm zu teilen. Es wirft ein trauriges Licht auf unsere Zeiten, dass Otto Haupt mir zum Dank dafür meinen Mantel stahl. Es war ein guter, fester Mantel, ausgezeichnetes Tuch, den ich als Abschiedsgeschenk bekommen hatte …«
            »Und dessentwegen er wahrscheinlich umgebracht worden ist.« Der Inspektor hob die Schultern. »Also war Ihr Herr Haupt nichts weiter als ein Dieb. Wahrscheinlich war er nicht mal Schauspieler. Ein Schurke, der auf Ihre Naivität spekuliert hat. Sie sollten vorsichtiger sein. Seien Sie in Zukunft nicht so vertrauensselig.«
            »Entschuldigen Sie, mein Herr, aber ich muss mich jetzt wirklich verabschieden. Mein Schiff geht nach Australien. Die Überfahrt kostet viel Geld. Ich muss an Bord gehen, oder ich werde niemals …«
            »Was sagten Sie? Wohin geht Ihr Schiff?«
            »Nach Australien, mein Herr. Die Clovis … das ist ein gutes Schiff, ein Dreimaster. Bald schon wird der Anker gelichtet.«
            »Australien? Mein lieber Mann. Warum haben Sie das nicht gleich gesagt? Sie können es sich nicht leisten, dieses Schiff zu versäumen. Guter Gott, nein. Sie reisen ja auf die andere Seite der Weltkugel!«
            Er sprang auf, um dem sanften Vikar auf den Weg zu helfen, und läutete die Messingglocke vor seiner Tür, woraufhin einer seiner Wachleute eintrat. »Hier! Bringen Sie den frommen Mann zu seinem Schiff. Sorgen Sie dafür, dass er sicher an Bord gelangt. Nehmen Sie den schweren Koffer. Bitte entschuldigen Sie, dass ich Sie aufgehalten habe, Herr Vikar. Ich hoffe, Sie haben eine sichere und angenehme Reise. Und nun leben Sie wohl.«
            Der stämmige Wachmann führte den Vikar hinaus in die Dunkelheit, und der Inspektor wartete geduldig im Schein der Laterne, um sicherzugehen, dass Ritter tatsächlich wohlbehalten auf sein Schiff kam – freilich ohne zu wissen, dass Zeugen für gewöhnlich ihre Aussage unterzeichnen mussten. Dann trat Backhaus zufrieden zurück ins Haus. Was ihn betraf, war in seinem Bezirk kein Verbrechen begangen worden, abgesehen davon, dass jemand eine Leiche im Kornspeicher abgelegt hatte. Für einen solchen Vorfall war kein Platz in seinen Berichten. Der Tote war ein gewöhnlicher Dieb ohne festen Wohnsitz, den ein Kerl auf dem Weg zum Ende der Welt identifiziert hatte. Nichts leichter, als beide schnellstens zu vergessen.
            Er nahm seinen Wettermantel vom Haken und fragte sich, warum jemand es mit den Weltmeeren aufnahm, um zu einem fremden Kontinent wie Australien zu reisen. Egal. Das war nicht sein Problem. Hier war das Leben schon schwer genug, auch ohne der Zivilisation den Rücken zu kehren. Er zerriss die Notizen, die er gemacht hatte. Es war Zeit, nach Hause zu gehen.

2. Kapitel
     
            Die Augen, die in den kleinen Spiegel blickten, waren graugrün, dunkel gerändert und ruhig. Es waren nicht die Augen eines schwachen Menschen, dafür waren sie zu kalt, zu selbstsicher. Sie verengten sich mit seinem Grinsen, als er mit den Bewegungen des Schiffes schwankte und dann ein paar Schritte durch die winzige Kabine torkelte, um den Spiegel an einem
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