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Im Land der Regenbogenschlange

Im Land der Regenbogenschlange

Titel: Im Land der Regenbogenschlange
Autoren: Altmann Andreas
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zur Mittagszeit baden, wurde glatt verhaftet – und wieder frei gelassen. Ein Damm war gebrochen, ab jetzt durfte jeder zu jeder Tageszeit »swim in the surf« (surf ist in diesem Land nur ein anderes Wort für Meerwasser).
    Das nächste Wunder geschah am 23. Dezember 1915, ein gewisser Duke Paoa Kahinu Mokoe Hulikohola Kahanamoku, genannt Duke Kahanamoku, amerikanischer Kraul-Weltmeister und dreifacher Olympiasieger aus Hawaii, segelte auf einem vor Ort gezimmerten Holzbrett über australische Wogen. Und der eleganteste Sport aller Zeiten, das Gleiten, das Surfen entlang schäumender Wellen war geboren. Die Zuschauer fingen Feuer, ein Lauffeuer brach entlang der 36 000 Kilometer langen Küste Australiens aus.
    Hundert Jahre nach Gründung der Lebensretter-Vereine gab es ungute Schlagzeilen. Vor einigen Monaten wurden zwei Lifesaver von einer Gruppe libanesischer Einwanderer attackiert. Daraufhin demonstrierten Tausende »weiße« Australier im Stadtviertel der Libanesen. Einige randalierten. Die Polizei schritt ein, es gab Verhaftungen, eine Untersuchung kam zu dem Schluss, dass eine Mischung aus Rassismus und krimineller Energie zur Explosion geführt habe. Surf Life Saving Australia hat daraufhin eine Initiative gestartet, um auch nicht-weiße Mitglieder zu gewinnen, sprich Moslems. Integration als Friedensinitiative.
    Klingt verständlich, klingt machbar. Bis sich Mecca Laalaa, eine 20-jährige Studentin mit libanesischen Eltern, zum Kurs anmeldete. Das Problem: Vor langer, langer Zeit haben Allah und sein Prophet Mohammed beschlossen, dass das Herzeigen weiblicher Haut ruchlos ist. Wie also ins Wasser hechten und Ohnmächtige an Land ziehen, ohne gegen ewige Wahrheiten zu verstoßen? Kein Problem, nein, ein Riesenproblem. No worries? Von wegen.
    Eine clevere Frau tritt auf, Aheda Zanetti, Stylistin, ebenfalls aus Libanon, ebenfalls in Sydney wohnhaft. Sie hat Erbarmen mit jenen »scarecrows« (Vogelscheuchen, so heißen sie im Volksmund), die in voller Montur bei 36 Grad im schattenlosen Sand sitzen und mit voller Montur ins Wasser waten. Sie erfindet – jeder muss grinsen, sobald er das Wort liest – den Burkini , eine Mischung aus Burka und Bikini, ein Kleidungsstück, das »allah-gefällig« alles bis auf Gesicht, Hände und Füße versteckt, zugleich aber eng genug anliegt, um sich damit (relativ) frei bewegen zu können. Auch im Pazifik. Scheich Taj Aldin al-Hilali, Australiens oberster Mufti, hat seinen Segen gegeben.
    Andere wollen davon nichts wissen, sie nennen den Auftritt »shameful« und drohen ab und zu der Erfinderin und der Trägerin mit dem Tod. Die Jugend sieht es locker, die hübsche Mecca wurde inzwischen zum »Burkini babe« ausgerufen. Mir fällt auf, dass DHL die Brust von Miss Mecca Laalaa – wie alle Lebensretter-Brüste – beschlagnahmt hat. Als Werbefläche. Das Transportunternehmen als Sponsor. Man kann nur hoffen, dass die Gesponserten schneller reagieren als ihre berüchtigt unzuverlässigen Geldgeber. Sonst ist die halbe Bevölkerung bis Ende des Jahres ertrunken.
    Die Burkini-Story ist eine gute Story. Sie erzählt uns wieder vom kleinen Wahn, bisweilen nicht ganz so harmlos, mit dem wir unser bisschen Zeit auf Erden verpesten. Man will schmunzeln, und dann will man schreien. Über die Dummheit, die umgeht in diesen hochmodernen Zeiten.
    Im nahen Speedo's Café – eine Endlosschleife übers Surfen läuft im Fernseher – bin ich mit einer Journalistin verabredet. Ich habe ihr flottes Buch über Australien gelesen, zuletzt war man froh, als sie von einem (weißen) Eingeborenen erzählte, mit dem sie sich anmutig und lange unterhalten konnte. Nicht über Kricketstars, nicht über Footy , auch nicht umzingelt von fünf Kasten Bier und fünf ausdauernd gröhlenden Buddies. 188 Seiten lang hat man die Mühe der Autorin gespürt, sich den Frust nicht anmerken zu lassen. Zuletzt kam er zum Vorschein: als Lobrede auf einen, der mit seinem Kopf Gedanken produzierte und ihr Freund werden sollte.
    Julica Jungehülsing ist sympathisch, eine Spur scheu. Vor sechs Jahren zog sie von Hamburg nach Bondi. Sie wollte in ein Land mit mehr Wärme und mehr Wellen. Sie surft und rettet, hat den mühseligen Menschenretter-Kurs hinter sich, auch das Krafttraining, die entscheidenden Handgriffe, das Üben der Mund-zu-Mund-Beatmung an der gliederlosen
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