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Im Keller

Im Keller

Titel: Im Keller
Autoren: Inge Lempke
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trotzdem, als sie die Tür aufschloss, überfiel sie wieder ein ganz ungutes Gefühl.
    Ein kurzes Zögern, dann schob sie die Haustür auf. Und machte sofort einen Schritt rückwärts. Gott, was war denn das für ein Gestank! Es roch nach kaltem Zigarettenrauch, nach Dreck, nach verfaulenden Lebensmitteln! Das roch geradezu gesundheitsschädlich!
    Claudia, ganz erfahrene Krankenschwester, eilte zurück zum Auto und holte aus ihrer Notfal ltasche Einmalhandschuhe und einen Mundschutz. So ausgerüstet wagte sie sich an eine Erstbegehung, die ihr zweifellos in ewiger Erinnerung bleiben würde.
                 Zunächst der Flur: besonders breit war er noch nie gewesen, aber jetzt bot er nur noch einen schmalen Pfad durch Gerümpel hindurch. Diverse Teile mehrerer Fahrräder, kaputte Gummistiefel, Plastiktüten voller leerer Glas- und Plastikflaschen, schmutzige Lappen, Ka rtons mit unbekanntem Inhalt. Die Holztreppe ins Obergeschoss war ähnlich zugestellt. Ein Wunder, dass Tante Carmen an Krebs verstorben war, statt sich auf der Treppe das Genick zu brechen!
    Claudia wandte sich nach links, wo sich die Wohnküche befand. Die Tür stand offen, auf der Schwelle schwärzlicher Schmutz, der sich auf den Holzdielen in der Küche fortsetzte, zumi ndest da, wo der Fußboden frei war, was sich auf insgesamt vielleicht einen Quadratmeter beschränkte. Der Rest der Küche war bis in Hüfthöhe zugemüllt. Hauptsächlich mit Essensresten, schmutzigem Geschirr, überquellenden Aschenbechern und Dutzenden von Plastiktüten, von deren Inhalt man am besten gar nichts wusste.
    Claudia setzte keinen einzigen Fuß in diese Deponie, vor allem, als sie in irgendeiner Ecke ein leises Rascheln, Knistern und Knacken vernahm, das vom Vorhandensein bestimmter `Hau stiere´ zeugte. Schnell drehte sie sich um und warf einen Blick ins Wohnzimmer, im Hinterkopf ein paar schreckliche Gedanken: wer sollte das hier alles aufräumen und saubermachen?! Das würde Monate dauern! Das war allein gar nicht zu schaffen! Das war schlimmer, als Patienten den Hintern abzuwischen! Hoffentlich sah es in den anderen Zimmern besser aus!
    Der Blick ins Woh nzimmer ließ diese Hoffnung platzen wie eine Spekulationsblase an der Börse: ein schmaler Durchgang zwischen brusthohen Ansammlungen von Büchern, Schallplatten, Vasen, Dekokrempel, Kartons, Plastiktüten, ein Riesenascher mit mindestens 10800 Kippen. Das Beste war vermutlich, das Haus, so wie es war, für ein paar Tausend Euro zu verschleudern. Vielleicht reichte das Geld dann noch für ein neues Auto!
    Als sich Claudia angewidert der Treppe zuwandte, streifte ihr Blick den schmuddelig-weißen Rahmen der Wohnzimmertür. Was war das denn? Auf den linken Rahmen hatte jemand von oben bis unten mit Kugelschreiber Zahlen gekritzelt. Möglicherweise Uhrzeiten: 20.55, 21.10, 21.40, 22.30, 23.22, 0.03, 1.16, und so ging es weiter, ohne erkennbares Muster. Ein Busfah rplan war das sicher nicht. Seltsam.
    Claudia machte sich auf den Weg nach oben. Vorsichtshalber hielt sie sich am Treppengelä nder fest, während sie hochstieg und mit dem Fuß immer wieder Kram zur Seite schob. Durch den Plastikhandschuh fühlte sie, dass das Geländer vor Dreck klebte.
    Oben angekommen, schaute sie sich um, hier war sie früher nie gewesen. Drei Türen gingen vom Flur ab, alle standen offen. Hier oben roch es nicht ganz so schlimm, aber vermutlich nur deshalb, weil sie sich schon an den Gestank gewöhnt hatte.
    Sie steuerte die Tür gegenüber der Treppe an, es war das Badezimmer. Auch hier ein paar prall gefüllte Plastiktüten. In Toilette und Badewanne braune Flecken. Claudia schaute nicht n äher hin. Das war alles derart eklig! Dann ein kurzer Blick in die Ecke hinter der Tür: ein Waschbecken mit ein paar schmutzigen Lappen und Zigarettenstummeln, darüber ein Spiegelchen im Din-A4-Format, in dem man sich nicht sehen konnte, denn es war flächendeckend mit braunem Paketklebeband überzogen. Was sollte das nun wieder?!
    Claudia wandte sich nach rechts und guckte durch die zweite Tür: ein Schlafzimmer, wie man am vermutlich einzigen, halbwegs freigeräumten Möbelstück des ganzen Hauses erkennen konnte, einem ungemachten Bett mit mehreren Wolldecken, das (ungewöhnlich genug) in der Mitte des Raums stand. Ringsum die reinste Gebirgslandschaft aus ein bis zwei Meter hohen Zeitungsstapeln, die mit Büchern, Schallplatten, Videobändern, Stofftieren und Mänteln durchsetzt waren. Selbst an der Decke war Krempel
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