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Im Keller

Im Keller

Titel: Im Keller
Autoren: Inge Lempke
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befestigt!
    Claudia schüttelte fassungslos den Kopf. Wie konnte ein einzelner Mensch so viel Müll anhäufen?!
    Allmählich bekam sie Kopfschmerzen. Vielleicht sollte sie alle Fenster öffnen, eine kle ine Pause machen, sich ins Auto setzen, das Gesehene verdauen und sich überlegen, welcher Schritt als nächster zu tun war.
    Doch vorher warf sie noch einen kurzen Blick ins dritte Zimmer: klar, dort war die Bekle idungsabteilung. Meterhohe Klamottenstapel auf Möbeln und Fußboden. Es reichte! Mit Mühe arbeitete sie sich bis zum Fenster vor und riss es auf. Frische Luft. Wunderbar.
    Schnell wieder ins Schlafzimmer, über Zeitungen geklettert, Fenster aufgemacht. Auf dem Weg zurück zur Tür trat sie auf eine knarrende Diele, und plötzlich hatte sie die Horrorvo rstellung, der Fußboden könnte durch all die Tonnen an Papier, die hier lagerten, unter ihr einbrechen und sie mit in die Tiefe reißen!
    Sie bewegte sich so vorsichtig weiter, als ginge sie über ein Minenfeld, und kam an einer Schallplatte vorbei, deren eine Ecke aus einem Turm von Zeitungen herausragte. Schwar zweißes Cover. Drei geschwungene Buchstaben: AN A. War das etwa -
    Claudia vergaß die Gefahr einstürzender Fußböden und zerrte an der Schallplatte. Je weiter die Hülle herauskam, desto klarer wurde, dass es sich um die verschwundene Santana-Platte handeln musste, die Cousin Clemens garantiert damals aus ihrem Zimmer geklaut hatte! So ein Hundesohn, seit Jahren suchte sie die Scheibe, hier fand sie sie wieder!
    Als Claudia die Schallplatte ganz herauszog, wurde irgendein inneres Gleichgewicht des Zeitungshaufens zerstört, denn plötzlich rutschte eine Kante in gut einem Meter Länge ab und riss weiteres Material mit. Ein großes Stück brach an der Seite des Haufens ab und hinterließ ein klaffendes Loch.
    Aus diesem Loch ragte etwas heraus. Claudia schreckte zurück, bekam weiche Knie, dann wu rde ihr übel. Um Gotteswillen, worauf war sie denn hier gestoßen?!
    Ihr erster Impuls war davonzulaufen, doch dann setzte sich wieder die Krankenschwester in ihr durch. Mit zögernden Schrittchen tastete sie sich so nah heran, wie es die verrutschen Ze itungen zuließen, und schaute genau hin: zwei magere Füße mit Haut wie aus bräunlichem Pergament, die Zehnägel gelblich verfärbt, lugten zwischen dichten Zeitungsschichten hervor. Ein paar weiße Stofffetzen, die teilweise noch an der Haut klebten, erinnerten an verrottete Socken.
    Claudia mochte sich nicht vorstellen, wie der Rest des Kö rpers aussah. Aber das musste sie auch nicht, das war nicht ihre Aufgabe. Das war ein Fall für die Polizei.
     
    Eine Viertelstunde nach dem Fund der Leiche traf der erste Streifenwagen ein, kurz darauf der leitende Kriminalhauptkommissar.
    „Schüller,“ stellte er sich mit angenehmer Stimme, aber leicht verkniffenem Lächeln vor. Ein Mann, kaum einen halben Kopf größer als Claudia selbst, eher dünn, feine Gesichtszüge, dunkle, längere Haare, nach hinten zum Pferdeschwanz gebunden. Was sie nicht besonders mochte.
    „Ich bin Claudia Schmitz.“ Sie stieg aus dem Auto, gab dem Kommissar die Hand und erklärte, wer sie war, was sie hier machte und was sie im Haus gefunden hatte.
    Der Mann hörte ihr mit ernstem Gesicht zu und nickte hin und wieder. Während Claudia red ete, nahm ein gerade nicht ausgelasteter Teil ihres Bewusstseins eine erste Einschätzung ihres Gegenübers vor: überwältigend schöne, schokobraune Augen, schmale, gepflegte Hände, kein Ehering, sportliche Schuhe, genauso schwarz wie Jeans, Hemd und Lederblouson, den er sich lässig über die Schulter geworfen hatte.
    Wenn sich nun noch herausstellte, dass er kein Angeber, kein Schwätzer, aber auch kein ei nsamer Wolf und kein Besserwisser war, dann wäre er glatt der Mann, nach dem sie schon immer gesucht hatte!
    Als Claudia mit ihrem Bericht fertig war, nahm Schüller die vor der Brust verschränkten A rme auseinander, stemmte die Hände auf die Hüften, schenkte Claudia einen irgendwie lächelnden Blick und verkündete: „Ich seh mir das mal an ... und Sie bleiben bitte hier.“
    Claudia glaubte, sich verhört zu haben - aus lauter Trotz hätte sie beinah darauf bestanden, ihn zu begleiten, aber dann dachte sie an die vertrockneten Füße der Leiche und den Gestank in den Zimmern und ließ es bleiben.
     
                                                                        *
     
    Arthur schritt auf das Haus zu
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