Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Informationszeitalter

Im Informationszeitalter

Titel: Im Informationszeitalter
Autoren: Stanislaw Lem
Vom Netzwerk:
als innovativer Schein wird es dagegen aber geschätzt. Ich spiele hier selbstverständlich keinen Kritiker, weil ich nicht bewerten und dadurch die Programme herabsetzen will, was nur oberflächlich wäre, sondern ich versuche die tiefere, rein perzeptorische Ursache dieser Tatsache zu entblößen, die dem Fernsehzuschauer aus Erfahrung bekannt ist. Das Wesen des Fernsehens besteht in einer merkwürdigen Ähnlichkeit von großen Mengen angeblich völlig unterschiedlicher, unabhängig produzierter Programme. In der Regel ist freilich, wenn man den Ton ausschaltet, schwierig zu erkennen, ob wir aus der Türkei, aus Großbritannien, aus den Niederlanden, aus Schweden, Dänemark oder Spanien gesendete Bilder sehen, weil an unsere Antenne von überallher beinahe der gleiche Grießbrei mit Pfeffer kommt.
    Vor der Informationsüberschwemmung rettet sich ein durchschnittlicher Mensch sowohl durch eine Reduktion des Bitstromes als auch durch eine Eliminierung dessen, was für die geistige Absorption irgendwie nicht “nötig” sind. Im täglichen Leben führt das zu einem verstärkten Ethnozentrismus der Medien, zu einer “wachsender Dickhäutigkeit” gegenüber den Inhalten, die schockieren oder die Gefühle verletzen können. In der Wissenschaft jedoch ist eine Zurückhaltung solcher Art nicht zulässig. Das ist der Grund für das wachsende Gewicht der Mahlzeiten, die der Wissenschaft von der Informatik mit den Heerscharen von Computern geliefert werden. Wie ein jedes neues Ereignis, auch wenn es nicht mehr ganz so neu ist, stellt die Computerisierung eine unentbehrliche Lebenssphäre her, die aber gleichzeitig auch neue Sorgen mit sich bringt. In den Ländern, in denen die Computerisierung gerade erst begonnen hat (zu denen de facto auch Polen gehört), kennt man diese Sorgen und dieses Dilemma noch nicht.
    Das erstbeste Beispiel erklärt, wo der Haken stecken kann. Im SF-Roman Rückkehr von den Sternen (1960) habe ich in die Handlung Kalster als kleine Geräte eingeführt, die den Geldverkehr und -umlauf ersetzen. Sicherlich gibt es in einem Roman keinen Platz, die Infrastruktur dieser “Erfindung” zu beschreiben! Heute aber schreibt man bereits in den Zeitschriften (z.B. in den Vereinigten Staaten) über smart cards , die auf diesem Prinzip beruhen. Es muß kein Geld mehr im Umlauf sein. Auch die Zahlung mit Schecks kann der Vergangenheit angehören, denn jetzt hat jeder ein Konto bei einer Bank und in der Brieftasche eine smart card . Bei der Bezahlung gibt man diese Karte dem Kassierer, der sie in die mit der Bank verbundene
    Kasse einsteckt. Der Computer überträgt dem Bankcomputer, wieviele Währungseinheiten vom Konto abzuziehen sind. Dasselbe geschieht auch auf dem Weg Zahler (also sein Computer) - die Bank - der Bezahlte (also sein “Kalster”).
    Das ist alles ganz wunderbar - unter der Bedingung, daß zu unserem Konto niemand mittels eines elektronischen Dietrichs gelangt. Wie man weiß, gibt es schon lange computer crime und Hacker, die sogar zu den am besten geschützten Computern verschiedener Generalstäbe gelangen konnten. Bargeld kann man vergraben oder in einer Schatzkammer verstecken, aber die Bankcomputer sind mit Sicherheit verschiedenen Attacken über Online oder Funk ausgesetzt. Das Phänomen der Viren ist uns bereits so bekannt, daß es sich nicht lohnt, sich mit dieser “dunklen” Seite der Informatik zu beschäftigen.
    Durchbrechen der Informationsbarriere
    Zum Durchbrechen der “Informationsbarriere” in der Wissenschaft könnten einerseits Computernetze dienen, die so wie die Neuronen im Gehirn miteinander vernetzt wären (und jedes Neuron ist, wie wir wissen, indirekt oder direkt mit einigen Zehntausend anderen verbunden. Deswegen beruht die Aussage, daß, verkürzt ausgedrückt, das Gehirn zwischen 12 und 14 Milliarden Neuronen zählt, eigentlich auf einem Mißverständnis, da es um die Anzahl der Verbindungen und nicht um die der Einheiten geht, die nur nach dem Prinzip Flip-Flop arbeiten.). Andererseits würden dazu Computergiganten beitragen, für die zur Zeit mein Golem XIV aus dem Roman mit dem gleichen Titel stehen kann.
    An dieser Stelle sollte ich vielleicht erklären, wie ich auf diesen Golem gekommen bin und worin die Konzeption eines “übergolemschen” Wachstums der terabitischen Macht bestehen kann, deren Wachstum von Perioden des Stillstands unterbrochen wird. Das ist deswegen keine “reine Phantasie”, weil ich seit jeher die natürliche Evolution des Lebens auf
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher