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Im Informationszeitalter

Im Informationszeitalter

Titel: Im Informationszeitalter
Autoren: Stanislaw Lem
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Kreation entstehen kann. Die Lösung einer beliebig schwierigen mathematischen Aufgabe hat mit dem Schaffen, an das ich denke, nicht viel gemeinsam, weil die Antwort bereits in Gestalt einer Lösung in der mathematischen Struktur der gestellten Aufgabe “insgeheim steckt”. Ich erlaube mir, zu dem Buch, das ich am Anfang zitiert habe, zurückzukommen. Ich habe darin geschrieben, daß der Übergang von den nicht erneuerbaren Energiequellen zu neuen - von der Muskelkraft, der Kraft der Tiere, des Windes, des Wassers über die Kohle oder das Rohöl bis hin zu atomaren Energiequellen - einer zuvor stattfindenden Informationsgewinnung bedarf. Erst dann wird dank der trial-and-error —Methode die Informationsmenge einen “kritischen Punkt” überschreiten,und die auf sie beruhende neue Technologie uns neue Bereiche der Energie und der Handlung eröffnen. Wenn die Ressourcen an Brennstoffen (Kohle, Öl, Gas), so schrieb ich, z.B. am Ende des 19. Jahrhunderts schon verbraucht worden wären, wäre es zweifelhaft, ob wir Mitte des 20. Jahrhunderts die atomare Energie in Gang gesetzt hätten, weil ihre Befreiung sehr große Kräfte erforderte, die zuerst in den Labors und dann im Industriemaßstab realisiert wurden. Dennoch ist die Menschheit, wie ich damals schrieb, überhaupt nicht dazu bereit (auch heute nicht), auf die ausschließliche Ausbeutung der Atomenergie überzugehen …
    Die von Fleischman und Pons verkündete Cold Fusion , die kalte Fusion von Deutererium mit Helium, wurde schnell als ein Irrtum abgetan, obwohl in letzter Zeit vor allem die Japaner Experimente in diesem Bereich wieder aufgenommen haben, so daß man “nichts sicheres weiß”. Ich sage dies im Kontext der Informatik deswegen, weil wir mit der Festlegung von Startparametern, die selbstverständlich unserem heutigen kosmologischen Wissen entspringen, zwar auf dem Computer das Bild des Weltraumes in 100 Milliarden von Jahren (wie man das bereits gemacht hat) modellieren, d.h. simulieren, aber aus dieser
    Simulation keine überraschenden Erkenntnisse ziehen können - und zwar deswegen, weil in den Startparametern jede Spur von diesen fehlt. Hier ein Beispiel, das vielleicht manch einen Leser überraschen wird.
    Boleslaw Prus (polnischer Schriftsteller, 1847 -1912, Hauptvertreter des literarischen Positivismus) ließ den Professor Geist, eine der Figuren seines Romans Die Puppe , behaupten:
    “Wir haben drei Würfel mit der gleichen Größe und aus dem gleichen Material, die jedoch unterschiedlichen Gewichts sind. Und warum? Weil es in einem vollem Würfel die meisten Stahlteilchen gibt, in dem leeren weniger, und in diesem aus Draht am wenigsten. Stelle dir vor, daß es mir gelungen ist, statt vollen Teilchen käfigartige Teilchen zu bauen, und
    dann wirst du das Geheimnis der Erfindung verstehen
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    Und jetzt ein Zitat aus einem Artikel der wissenschaftlichen Spalte des SPIEGELS (ich zitiere die wissenschaftliche Presse nicht, weil es mir auf Kürze ankommt):
    “Die Wissenschaftler erwarten eine ‘völlig neue Chemie’, die sie sich von den käfigartigen Kohlekugeln, genannt Fullerene, erhoffen. Zum ersten Mal sind sie in den deutschen Labors entstanden, und die Anzahl ihrer möglichen Anwendungen - ist eine Unmenge. … Die Fullerene, so nach den selbsttragenden Kuppelstrukturen von Richard Fuller in der Architektur benannt, sind leere Kügelchen, die aus sechzig Atomen Kohle gebildet werden, die miteinander so verbunden sind wie die verbundenen Fünfecke, die einen Fußball bilden. Man kann sie als Konstruktionselemente in Raumschiffen einsetzen, weil sie unbeschädigt von einer Stahlplatte abprallen, wenn
    man mit einer Geschwindigkeit von 27.000 km/h auf sie feuert … “
    Die Japaner synthetisieren bereits zylinderartige Fullerene, die mit Bleiatomen gefüllt sind, und haben daraus einen Draht mit einer Dicke von einigen Atomen gezogen. In der amerikanischen Presse schreibt man über Buckminsterfullerene, in die man Neon- oder Heliumatome einpressen konnte … . Das ist erst der Anfang. Und was kann man über die Phantasie von Boleslaw Prus sagen? Sie hat sich in einem Zeitraum von einhundert Jahren verwirklicht …
    Es ist eine banale Sache, daß niemand diese Konvergenz bemerkt hat, weil, wie ich meine, Prus selbst nicht sehr an ihre Verwirklichung geglaubt hat (ich bin mir aber in dieser Hinsicht nicht sicher; ich weiß nicht, warum er über seine - über die von Professor Geist gemachte - Entdeckung, einen Roman unter dem Titel
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