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Im Funkloch

Im Funkloch

Titel: Im Funkloch
Autoren: Falko Löffler
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dunkelblauer Streifen auf. »Wird wohl bald hell . . .«, murmelte ich.
    »Da!«, rief Tina aus und zog mich am Ärmel.
    Ein Feuerwehrmann stand am Fenster und reichte einen leblosen Körper raus.
    Es war Susanne.
    Sie wurde sofort zum Krankenwagen gebracht.
    »Und Lucas?«, sprach Tina die Frage aus, die auch durch meinen Kopf schwirrte.
    Der Feuerwehrmann verschwand wieder im Gebäude. Und kehrte wenige Augenblicke später zurück – mit jemandem an seiner Seite, der sofort rauskletterte.
    Es war Lucas.
    Er stolperte auf den Kiesplatz, hustete sich die Seele aus dem Leib, übergab sich. Die Ärztin eilte zu ihm.
    Lucas' Mutter schien ihn im ersten Moment gar nicht zu erkennen. Dann entfuhr ihr ein Schrei und sie rannte zu ihm, drückte ihn fest, während die Ärztin versuchte, sie davon abzuhalten.
    Und Lucas? Er stieß die Ärztin beiseite und umarmte seine Mutter. All seine abfälligen Sprüche waren, wie so vieles, was von ihm kam, Lügen gewesen.
    Tina und ich gingen zum Krankenwagen. Susanne war inzwischen wieder bei Bewusstsein. Der Arzt, der sich um sie kümmerte, warf uns einen Seitenblick zu. »Ihr ist nichts passiert«, sagte er. »Hat etwas zu viel Qualm abbekommen, aber das wird schon.«
    »Können wir mit ihr reden?«, fragte Tina.
    Der Arzt winkte uns rein. Susannes Gesicht war rußverschmiert, die Haare klebten ihr am Kopf. Aber in ihrem Blick stand keine Angst mehr, keine Verwirrung. »Lucas hat mir so leidgetan«, sagte sie. »Er stand auf einmal bei uns hinterm Haus. Blutüberströmt. Konnte kaum laufen. Aber ich sollte keinen Arzt rufen, sagte er.«
    »Er war die ganze Zeit bei euch zu Hause?«
    Sie nickte. »Meine Eltern sind diese Woche im Urlaub. Schweden. Niemand hat davon erfahren.«
    »Aber warum zum Teufel hilfst du ihm auch noch bei diesem Irrsinn hier?«, fragte Tina grimmig.
    Susanne schluckte, schloss die Augen, und Tränen quollen hinter ihren Lidern hervor. »Er sagte, dass er sich rächen wollte. An seinem Lehrer. Der ihm nur schlechte Noten reinwürgt und ihn unfair behandelt. Ihn richtig erschrecken. Ich dachte doch nicht, dass er alles abbrennen will . . . und er meinte, ich bekomme die Hälfte, wenn wir noch ein bisschen mitgehen lassen, gar nicht viel . . .«
    Ich schaute zu Lucas. Er hustete immer noch wie blöd. Seine Mutter wollte ihn gar nicht loslassen. Die Ärztin verlor langsam die Geduld.
    Ich sah Susanne an. Sie drehte den Kopf zur Seite. Es gab nichts mehr zu sagen.
    Tina und ich kletterten vom Wagen. Die Ärztinhatte es endlich geschafft, Frau Reitz von ihrem Sohn zu lösen. Als Lucas in den Krankenwagen stieg, warf er mir einen Seitenblick zu. Und obwohl er ziemlich heftige Schmerzen haben musste, schaffte er es, sein irres Grinsen aufzusetzen. »Du schuldest mir noch einen Schlüssel!«, sagte er.
    »Vergiss es«, erwiderte ich.
    Er lachte, was in einem weiteren Hustenanfall endete.
    Die Türen des Krankenwagens wurden geschlossen. Dann fuhr er davon. Mit Blaulicht, aber ohne Sirene.
     
    Während der Busfahrt runter ins Dorf herrschte Stille. Kein Wort wurde gesprochen, gelegentlich hustete jemand leise.
    Wir wurden zur Turnhalle gebracht. Unter dem grellen Licht der Deckenlampen waren Tische und Stühle aufgestellt worden, und dahinter lagen Isomatten, Luftmatratzen und Decken. Die Tische waren voll mit Butterbroten und Teekannen. Das halbe Dorf schien auf den Beinen zu sein, um uns zu versorgen.
    Auch einige der Typen, die oben bei uns gefeiert hatten, waren hier. Ich erkannte Tobias und ging zu ihm. »Hey . . .«
    Er nickte mir zu und deutete ein Lächeln an. »Hat's dich schlimm erwischt?«
    Ich nahm eine Tasse Tee. »Geht so. Danke . . .«
    Tobias schüttelte den Kopf. »Ich hätte merken müssen, dass mit Susanne was nicht stimmt. Aber ich hätte mir nie vorstellen können, dass sie den Typen bei sich zu Hause versteckt.«
    »Hat keiner von uns gedacht.« Ich verbrannte mir die Zunge am heißen Tee, trank aber gleich weiter. »Habt ihr was von ihr gehört?«
    »Sie ist nach Eschwege ins Krankenhaus gebracht worden. Hab nur kurz mit dem Empfang dort telefoniert. Ihr geht's gut . . . na ja . . . so weit halt. Polizei war auch schon da. Ich will hoffen, sie sperren dieses Arschloch für immer hinter Gitter . . .«
    Oh, ja, diesen Gedanken hatte ich auch schon gehabt. Und aus dieser Sache würde sich Lucas nicht so einfach rauswinden können. Ich hätte Tobias gern erklärt, wie leicht man in den Sog von Lucas geraten konnte. Aber ich fand nicht die richtigen
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