Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Funkloch

Im Funkloch

Titel: Im Funkloch
Autoren: Falko Löffler
Vom Netzwerk:
Klaps auf die Wange. »Herr Passlewski?« Ich schlug fester und konnte nur hoffen, dass er es mir nicht übel nahm. Tina hatte seine Brille gefunden und reichte sie mir. Vorsichtig setzte ich sie ihm wieder auf.
    Seine Augenlider flatterten. Er verzog das Gesicht zu einer gequälten Grimasse und hob stöhnend die rechte Hand zum Kopf.
    »Können Sie aufstehen?«, fragte ich.
    »Lucas . . .«, murmelte Passlewski. »Wo . . .«
    »Er ist nicht hier«, sagte Tina. »Schnell, das Feuer . . .«
    Passlewski riss die Augen auf, als hätte er den Brand völlig vergessen. Zitternd setzte er sich auf und ich stützte seinen Rücken. »Geht schon . . .«, flüsterte er, aber ich musste ihn mehr hochziehen, als dass er selbst auf die Beine kam. Tina und ich hielten ihn aufrecht, indem wir ihn in unsere Mitte nahmen.
    Langsam, torkelnd, gingen wir zum Treppenhaus.
    »Sollen wir . . .?«, fragte Tina leise und blickte nach oben.
    »Wir müssen hier raus«, sagte ich.
    Tina nickte. Wir konnten nicht länger hierbleiben, es war zu gefährlich.
    Es schien endlos zu dauern, Schritt für Schritt nach unten zu kommen. Ich fürchtete schon, dass das ganze Erdgeschoss inzwischen brannte, aber wir hatten Glück. Flammen züngelten unter der Tür zum Gemeinschaftsraum, aber noch hielt sie das Feuer ab, sodass wir zum Fenster gehen konnten.
    Wir halfen Passlewski nach draußen, der von Frau Herzig und dem Busfahrer in Empfang genommen wurde. Dann stieg Tina durchs Fenster – und schließlich ich.
    Zuerst brannte die frische Nachtluft in meinen Lungen, dann musste ich husten. Jemand drückte mir eine Wasserflasche in die Hand und ich spülte meinen Mund aus.
    Ich bemerkte, dass noch jemand bei Frau Herzig stand.
    Es war Lucas' Mutter.
    »Frau Reitz war schon draußen«, sagte Frau Herzig. »Ihr hättet gar nicht . . . oh, Gott, ein Glück, dass euch nichts passiert ist.«
    Ich schaute Lucas' Mutter an und es schnürte mir die Kehle zu. Wenn sie erfuhr, dass ihr Sohn im obersten Stockwerk des brennenden Gebäudes war . . . um sie zu retten . . . und vor allem, dass wir ihn dorthin geschickt hatten . . .
    Eine Feuerwehrsirene schallte durch den Wald und sie wurde lauter. Blaulicht blitzte durch die Bäume.
    »Bevor es zu heiß wurde, hab ich am Telefon gerade noch einen Notruf durchgeben können«, sagte Frau Herzig. »Als ich den Hörer nahm, war ich sicher, die Leitung wäre tot. Aber sie war es nicht. Sie war es nicht . . .«
    Wieder schaute ich zu Lucas' Mutter. Dann zu Passlewski, der auf dem Boden saß, Wasser trank, ins Leere starrte. Auch er wusste nicht, dass Lucas dort oben war.
    Tina sah mich an. Ihr mussten ähnliche Gedanken durch den Kopf gehen. Plötzlich hastete sie zu Lucas' Mutter, nahm sie am Arm, führte sie weg und redete auf sie ein.
    »Lucas ist da oben«, sagte ich leise zu Frau Herzig.
    Sie schaute mich überrascht an. »Aber . . .«, begann sie.
    »Er lebt. Lange Geschichte . . .«, unterbrach ich hastig. Die Einsatzwagen rasten gerade auf den Platz und sofort sprangen Feuerwehrleute raus, rollten Schläuche ab. Ich rannte zu ihnen.
    Einer der Feuerwehrleute fing mich ab. »Zurück«, brüllte er mir ins Gesicht.
    »Da oben sind noch Leute!«, rief ich.
    Er beugte sich zu mir. »Wo?«
    »Unterm Dach. In der obersten Wohnung. Ein Junge, ein Mädchen . . . sie dachten, es wäre noch jemand dort . . .«
    Der Feuerwehrmann nickte und eilte zu seinen Kollegen.
    Mit Tina im Arm beobachtete ich, wie Wasserfontänen auf das Gebäude niedergingen und ein Trupp Feuerwehrleute durch das Fenster hineinstürmte, durch das wir geflohen waren.

Nie allein
    Sie hatten das Feuer schnell unter Kontrolle. Der Gemeinschaftsraum, die Küche und das Zimmer bei der Veranda waren völlig ausgebrannt, aber wir hatten Glück, dass die Flammen nicht auf den Flur und die Zimmer übergegriffen hatten.
    Inzwischen waren auch eine Notärztin und ein Arzt im Krankenwagen eingetroffen, die einen nach dem anderen untersuchten. Niemand schien verletzt zu sein – außer Passlewski, der immer noch abwesend wirkte und mit matten Augen das Geschehen um sich herum beobachtete. Mein Husten war auch besser geworden, nur ein Kratzen im Hals war geblieben.
    Kevin, Noel und Olaf war, wie den anderen, nichts Schlimmes passiert, aber allen stand der Schrecken ins Gesicht geschrieben.
    Wir konnten in der mondhellen Nacht nur abwarten, beobachteten die Feuerwehrleute. »Wie spät ist es eigentlich?«, fragte ich.
    »Hab keine Uhr«, sagte Tina.
    Am Horizont zog ein
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher