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Im Funkloch

Im Funkloch

Titel: Im Funkloch
Autoren: Falko Löffler
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sie ablehnendes Tuten hörten.
    »Wie soll ich jetzt mit meinem Schatz reden?« Janka schaute zu Tina und ihre Stimme klang, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen. Wir wussten alle, von wem sie redete, denn das konnte kaum jemandem entgangen sein. Sie war seit Kurzem mit einem Typen namens Tom zusammen, der schon eine Ausbildung machte. Die beiden verbrachten jede freie Sekunde zusammen. Der Typ tauchte manchmal sogarin den großen Pausen bei uns auf und dann knutschten sie so demonstrativ auf dem Schulhof und befummelten sich, dass sie schon von Lehrern ermahnt worden waren.
    »Der ist sicher froh, dass du ihm mal nicht auf die Nüsse gehst!«, brüllte Lucas, trank seine letzte Dose leer, drückte sie mit der rechten Hand zusammen und warf sie im hohen Bogen nach vorn. Sie knallte an die Decke, traf bei den Gymnasiasten eine Kopflehne und fiel zu Boden. Schwacher Protest erhob sich. Lucas stand auf. Er ging den Mittelgang entlang, streckte beide Handflächen seitlich aus und ließ sie im Gehen gegen die Hinterköpfe der Sitzenden klatschen, wenn sie nicht rechtzeitig auswichen, und stieg vorne aus dem Bus.
    Immerhin setzten sich nun alle in Bewegung. Murmelnd stiegen wir aus. Die meisten hielten immer noch die Handys vors Gesicht, als ob draußen auf wundersame Weise der Empfang besser wäre. Einige hoben sie sogar in die Luft, in der vagen Hoffnung, das Funkloch könnte einen halben Meter über ihrem Kopf gestopft sein. Ein paar Leute sammelten sich verstohlen hinter dem Bus und zückten ein Zigarettenpäckchen.
    Der Fahrer öffnete die Gepäckfächer des Busses, damit wir unsere Koffer rausholen konnten. Lucas stieß ein paar Gymnasiasten zur Seite, riss fremdeKoffer raus und schmiss sie in den Kies, um an seine Tasche zu kommen. Niemand wagte es, sich mit ihm anzulegen. Seine Alkoholfahne war schon beträchtlich, und die Augen hatten diesen harten Glanz, als würde er nur auf die leiseste Provokation lauern, um zuzuschlagen.
    Ich wartete, bis die meisten ihre Koffer rausgeholt hatten, denn ich wusste, dass meine Tasche weit hinten war. Als dann Platz war, musste ich in den Stauraum reinkriechen.
    »Kannst du mir meine auch rausziehen?«, fragte ein Mädchen hinter mir.
    Tina.
    »Die blaue«, fügte sie hinzu.
    Ich hatte das Gefühl, dass meine Muskeln erstarrten. »Jo . . . klar«, sagte ich betont locker und zwang mich, die Hand nach ihrer Tasche auszustrecken, zog sie am Griff nach hinten.
    »Danke«, sagte Tina und nahm sie.
    Meine Gedanken rasten. Was wäre nun eine lockere Gesprächseröffnung? Coole Tasche. Nein, nicht gut. Verdammt grüne Skyline, was? Zu albern . . . Wird dir auch beim Busfahren schlecht? Um Gottes willen!
    Mir war siedend heiß und eiskalt zugleich, als ich meine Tasche nahm und rückwärts aus dem Staufach rauskroch. Dann schluckte ich schwer und drehte mich zu ihr um.
    Tina war nicht mehr da.
    Sie hatte ihre Tasche genommen und war längst zu ihren Freundinnen zurückgekehrt. Ich sah nur ihren Rücken.
    Kevin trat an mich heran. »Und?«, fragte er. Kevin war der Einzige, dem ich anvertraut hatte, dass ich Tina super fand. Ich wusste, dass er wie ein Grab schweigen konnte . . . außer, wenn er was getrunken hatte, aber das kam zum Glück selten vor.
    »Ich glaube, das kann ich vergessen«, sagte ich. »Die wechselt nur die nötigsten Worte mit mir.«
    »Na, das wird sich doch im Lauf dieser Woche ändern, oder?« Kevin gab mir einen aufmunternden Klaps auf die Schulter.
    »’ne ganze Woche . . . hier . . . das wird hart.« Ich deutete zu unserer Meute und den Gymmis, von denen einige noch immer verzweifelt das Handy in der einen Hand hielten und drauf warteten, ein Netz zu finden, während sie es mit der anderen Hand vor dem Nieselregen schützten.
    Kevin gab mir mein Handy zurück. »Willst du auch mal schauen, ob's vielleicht bei dir geht?«
    Ich nahm es und schaltete es aus, ohne aufs Display zu sehen. »Ich werd's überleben.«
    »Immerhin gehen die Spiele ohne Netz.« Kevin grinste.
    Ich steckte das Handy in die Tasche und stieß gegen meinen Schlüsselbund. Mir kam ein Gedanke. Lucas war zuzutrauen, dass er in meinen Sachen nach dem Schlüssel suchte. »Hey, kannst du mir einen Gefallen tun?«, fragte ich Kevin.
    »Klar.«
    Ich vergewisserte mich, dass Lucas nicht in der Nähe war, holte meinen Schlüsselbund raus und machte den silbernen, unscheinbaren Schlüssel ab, hielt ihn Kevin hin. »Mach den bitte bei dir dran. Ich brauche ihn irgendwann zurück, aber ist erst mal
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