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Im finsteren Wald

Im finsteren Wald

Titel: Im finsteren Wald
Autoren: Heiko Grießbach
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hätte Tina sich verschluckt. Geschockt presste sie ihre Beine zusammen und senkte den Blick. Sie bereute es, sich zum Abendessen die Bella Swan Bermudashorts angezogen zu haben, die nun kaltfeucht an den Schenkeln klebten. Ihre nackten Knie schienen die Blicke dieser Kerle magisch anzuziehen.
    ‚Ach Edward, wo bist du? Du würdest bestimmt nicht tatenlos zusehen, wie diese geilen alten Säcke mich hier anmachen, stimmt‘s?‘
    Die Stimme ihres Vaters riss sie aus den Grübeleien. „Oh man, bin ich voll! Ich muss mal – Karin, verlang schon mal die Rechnung.“
    Jetzt ließ ihr Paps sie auch noch im Stich. Und kaum war ihr Vater hinter einer klobigen WC-Tür verschwunden, schraubte sich einer der beiden Rotgesichter in die Höhe und wankte auf ihren Tisch zu. Tinas Herz begann zu rasen, während sie dem Schwankenden ängstlich entgegensah. Immer wieder zog er seine braune, schmierige Cordhose hoch und nestelte am verblichenen Hemd herum, das dunkle Flecken zierten.
    „Willkommen“, nuschelte er und ließ braune Zahnstummel erkennen. „Fühlen Sie sich bei uns wie zu Hause.“
    Man merkte ihm an, wie sehr er sich um ein verständliches Hochdeutsch bemühte, während er nun zum Du wechselte. „Aber lasst euch warnen. Meidet den Forst, dort ist es nicht geheuer“, er starrte ihre Mam mit seinen rotunterlaufenen Augen an und richtete dann den Blick auf sie, „und lass das Mädchen auch am Tage nicht in die Nähe des Waldes gehen. Vor allem pass auf deinen Mann auf ...“
    „Was ...“, stotterte ihre Mutter mit angstverzerrtem Gesicht, während Tina, die nun auch die Angst gepackt hielt, vorsichtig unter dem Tisch ihre Hand suchte.
    „Ach, beachten Sie den ollen Säufer nicht“, sagte die heraneilende Wirtin schnell. „Ich hoffe, es hat Ihnen geschmeckt. Ge? Und du“, sie blickte Schnauzbart giftig an und zog ihn am Arm, „du mach, dass du an deinen Tisch kommst und trink dein Bier. Lass meine Gäste in Ruhe, sonst schmeiß ich dich raus, verstanden?“, dabei stemmte sie ihre muskulösen Arme in die Seite und sah den Trunkenbold kampflustig an.
    Der Mann brummte etwas Unverständliches und schlich mit gesenktem Haupt zu seinem Platz zurück. Seine Kumpane schlugen ihm auf die Schultern und schoben ihm Bier und Korn näher heran.
    „Was wollte der denn von euch?“, hakte Peter nach, als er zurückkam.
    „Ach“, Karin schüttelte den Kopf. „Er warnte uns vor dem Wald und ich soll auf Tina und auf dich aufpassen. Er sollte lieber auf sich aufpassen.“
    Tina fühlte noch immer den durchdringenden Blick des Typen auf sich und wagte nicht, zum Tisch zu schauen, zu dem der Mann zurückgeschlurft war.
    „Am besten nicht weiter beachten“, sagte ihr Vater und stützte sich mit den Händen auf den Tisch auf. „Hast du schon bezahlt?“
    „Noch nicht“, ihre Mam lächelte etwas verkrampft.
    „Dann werde ich mal“, murmelte ihr Paps und griff sich prüfend ans Hinterteil, wo die Brieftasche in der Gesäßtasche steckte. Er ließ nicht eben glücklich den Blick durch den Raum schweifen und vermied es krampfhaft, zu den drei Männern zu schauen.
    Tina fühlte, dass ihr Paps seine Pensionswahl zu bereuen begann. Verkrampft lenkte sie ab. „Und? Seid ihr satt? Wollen wir nicht noch ein wenig spazieren gehen?“
    Der Himmel glühte im Licht der untergehenden Abendsonne, doch zunehmend mischte sich dunkles Grau unter das Rot. Bald zeigten sich die ersten Sterne.
    „Ein toller Anblick, was?“, fragte ihre Mutter. „Wann bekommen wir das schon in der Großstadt zu sehen?“
    „Mhm“, pflichtete ihr Vater bei.
    „Paps, stellst du mir nachher den Fernseher im Zimmer ein?“, fragte sie, ohne auf die Frage ihrer Mutter einzugehen.
    „Ja, mache ich. Aber es wird bald geschlafen, klar?“
    Ihre Mutter schüttelte den Kopf. „Seht euch lieber den schönen Himmel an, wann sieht man das in unserer verbauten Großstadt! Und nachher auf dem Zimmer kann man auch mal etwas lesen, es muss nicht immer die Glotze sein! Wir haben Urlaub.“
    Aber das hörte Tina nicht. Aufmerksam schaute sie zu dem finsteren Wald hinter dem Dorf hinüber. Hatte sie da nicht gerade eine Gestalt gesehen? Sie strich eine Haarsträhne aus der Stirn und spähte zum Waldrand. Bewegte sich dort jemand? Oder war es ein Tier gewesen? Sie hörte wieder die Stimme des Typen aus der Gaststube: „Meidet den Forst, dort ist es nicht geheuer.“

 
     
    3
    Sie verharrte und lugte neugierig hinter einem Buchenstamm hervor. Lange war sie durch
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