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Im finsteren Wald

Im finsteren Wald

Titel: Im finsteren Wald
Autoren: Heiko Grießbach
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Langensalza, nun sind es nur noch ein paar Kilometer bis Craula, dann sind wir da.“
    ‚Craula, was für ein beschissener Name!‘ Tina fegte eine Fussel vom Display. Forks, Port Angeles, Phoenix, das waren Namen nach ihrem Geschmack. Aber Craula, das klang wie kraul mir den Rücken, kraul mir den Ar… - igitt.
    „Zeit wird es auch. Die Einöde hier wird ja immer schlimmer, Peter!“, kam es gepresst von Karin, die tapfer gegen ihre volle Blase ankämpfte. Und dann diese Folter, diese ständigen Rumpler, die ihren Unterleib beben ließen. Sie rutschte auf dem Beifahrersitz hin und her, auch ihr Hinterteil schmerzte von der langen Fahrt und langsam konnten sie wirklich ankommen. „Hier können sich nicht mal Fuchs und Hase Gute Nacht sagen, weil sie sich gar nicht treffen. Und diese Buckelpiste ist das Letzte, die stammt doch noch aus dem 30jährigen Krieg!“
    „Da könntest du Recht haben“, entfuhr es Peter, dabei schaute er in den Rückspiegel. „Gleich hinter dem malerisch in sanfte bewaldete Hügel eingebetteten Ort beginnt der Hainich“, zitierte er frei, was er im Internet gelesen hatte, um in seinen beiden Frauen Vorfreude zu wecken. „Es wird herrlich werden. Ich sage nur Entspannung, gesunde Luft, Natur und Ruhe.“
    „Ich sage nur tote Hose“, äffte Tina ihn nach.
    „Unser Budget hat eben keinen Karibikurlaub hergegeben und für Malle hat’s auch nicht gereicht. Dafür bekommen wir Natur pur, was bestimmt auch nicht verkehrt ist. Ihr werdet schon sehen“, versprach er lautstark.
    „Wir werden sehen“, Karin lächelte ihn an und tätschelte seinen Arm.
    Peter war froh über diesen Urlaub, den ersten seit drei Jahren, den sie wieder gemeinsam verbrachten. Sein Leben durchlief schon lange mehr Tiefen als Höhen, erst das Fiasko mit seiner früheren Arbeitsstelle, wo er für drei Monate kein Geld bekam und einfach so gekündigt wurde, dann die Arbeitslosigkeit. Dann, nach nervenaufreibender Suche endlich ein neuer Job und nach sechs Monaten Probezeit nun der erste Urlaub. Dass ihr schmaler Geldbeutel keine Flugreise hergegeben hatte und nur einen Wanderurlaub in heimischen Gefilden gestattete, war ihm nur recht. Er hatte so viel lernen müssen, so oft Leute um sich gehabt, die ihm sagen oder zeigen wollten, wie er zu arbeiten hatte, dass ihm nun Ruhe und Wandern im Wald vorkam wie das Paradies. Absichtlich hatte er sich schließlich nach einiger Recherche für Nordthüringen und den Hainich entschieden.
    „Kommt nun endlich das blöde Nest? Ich muss den Akku aufladen“, meldete sich Tina erneut, zog die Nase kraus und ließ die Sommersprossen lustig tanzen. Für einen Augenblick schaute sie auf die vorbeieilenden Felder, dann widmete sie sich wieder Edward und Bella.
    „Man sagt nicht blöde“, kam es von Karin beinahe automatisch und Peter nickte bestätigend, bevor er sich stirnrunzelnd wieder der Straße oder dem, was sich Straße nannte, widmete.
    „Ich glaube, mir wird schlecht“, murmelte Tina plötzlich und legte den Kindle zur Seite.
    „Hey, hey, wir sind gleich da, also beruhige dich“, rief ihr Vater und fügte in Gedanken hinzu: ‚Ich hoffe doch sehr, dass wir bald da sind.‘
    Besorgt drehte Karin sich um und sah Tina an. „Tinchen, tief durchatmen, ja? Versuch, durchzuhalten, wir haben es gleich geschafft.“
    Der alte VW rumpelte und schaukelte, vorn quietschte eine Feder und die Insassen wurden mal tief in die Sitze gedrückt, mal auf die eine oder andere Seite geworfen und waren in ständiger Bewegung. Plötzlich tauchte wie aus dem Nichts ein gelbes Schild auf und verkündete den Beginn des Dörfchens Craula. Gärten wurden von Häusern abgelöst, die sich an die Straße schmiegten und von dunklen Fachwerkbalken durchzogen waren. Auch mit Schiefer gedeckte Gebäude gab es, Zeugen einstigen Reichtums. Ein gescheckter Dorfköter kläffte sie im Vorbeifahren an. Tina hörte ihn durch die geöffnete Scheibe und zeigte, ohne hinzusehen, den Mittelfinger. Sie fühlte sich fast wieder okay und die Übelkeit war verschwunden.
    Peter überkam das Gefühl, fünfzig Jahre in der Zeit zurück gereist zu sein, und er atmete beinahe erleichtert auf, als er Satellitenschüsseln auf den Dächern bemerkte. Er fuhr noch langsamer und schaute sich suchend um. Es fiel ihm nicht schwer, den Gasthof Zum Alten Berg zu finden, sie mussten einmal links und einmal rechts abbiegen, dann waren sie da. Via Internet hatte er die Pension gefunden und die Zimmer gleich von zu Hause aus
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