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Im Fadenkreuz der Angst

Im Fadenkreuz der Angst

Titel: Im Fadenkreuz der Angst
Autoren: dtv
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willst, dreh ich um und setz dich bei dir zu Hause ab.«
    »Super. Das kostet uns bloß eine halbe Stunde«, mault Marty.
    Andy nimmt den Fuß vom Gas. »Also, was soll ich tun?«
    Ich weiß nicht ich weiß nicht ich weiß nicht.
    »Schön«, seufzt Andy in die Stille hinein. »Dann fahr’ ich dich nach Hause.«
    Marty lässt sich in den Sitz fallen. »Echt mal, Sabiri. Du bist richtig ätzend geworden, weißt du das?«
    Mein Magen will sich umstülpen. Erst die verpatzten Sommerferien und dann das hier. Das ist meine letzte Chance. Wenn ich heute aussteige, bin ich für immer draußen. Ich seh die Jungs nie wieder. Dann bleibt mir nur noch die Hölle auf dem Hügel.
    Ich täusche ein Lachen vor und klopfe gegen Andys Kopfstütze. »Okay, bin dabei.«
    Andy strahlt. »Na also, geht doch, Sammy!« Er klatscht mich über die Rückenlehne hinweg ab. »Wenn’s mit deiner Mom ein Problem gibt, dann schieb das einfach mir in die Schuhe. Sag ihr, du hast erst im Ferienhaus gemerkt, dass meine Eltern nicht da waren. Und ich wollte dich nicht zurückbringen. Genau, du sagst einfach, du bist entführt worden.«
    »Nach Kanada entführt. Von Außerirdischen«, fügt Marty mit Roboterstimme hinzu.
    »So wär’s ja auch gewesen, wenn du nicht nach meinem Vater gefragt hättest«, fährt Andy fort. »Wir haben versucht, dich zu schonen, Sammy. Aber du hast uns nicht gelassen. Du hast uns gezwungen, es zu sagen. Manchmal ist es einfach besser, man weiß von nichts.«
    Ich sehe plötzlich Dad vor mir, wie er so gequält am Küchentisch sitzt, so gehetzt wirkt.
»Sami, es gibt Dinge, über die ich nicht reden kann. Die ich nicht erklären kann.«
    »Andy«, sage ich. »Dreh die Musik auf. So laut es geht.«

TEIL ZWEI
    8
    Wegen Andys Bleifuß sind wir früher als erwartet in Alexandria Bay. Trotzdem – es ist schon sechs Uhr und nur noch zwei Stunden hell. Wir fahren zum Drivethru bei McDonald’s. Auf dem Weg zum Bootshafen stopfen wir uns mit Hamburgern und Fritten voll.
    Vor dem Parkplatz verkaufen Kinder Regenwürmer in alten Styroporschachteln von einem China-Imbiss. Eine Schachtel Köder müsste für uns reichen, aber Andy besteht darauf, dass wir drei kaufen.
    Der Parkplatz ist fast voll. Väter und Söhne kommen mit ihren Booten von Angeltouren zurück, Paare fahren zum Sonnenuntergang aufs Wasser und Leute wie wir brechen zu ihren Ferienhäusern auf. Es sind fast nur Weiße. Ich bleibe dicht bei Andy und Marty, Hände in den Taschen, Kapuze auf dem Kopf, Gesicht nach unten, mache mich so unsichtbar wie möglich.
    »Was hast du denn?«, fragt Andy.
    »Nichts. Will bloß nicht angemacht werden.«
    »Jetzt fang nicht an zu spinnen.«
    »Du hast leicht reden.«
    Das Boot der Johnsons liegt am Pier vier, Buhne 122.   Es ist eine Chris-Craft-Catalina, über sieben Meter lang, mit tiefem V-Rumpf . Mr J. wollte das Boot
Schluckspecht
nennen, aber Mrs J. fand das geschmacklos.Sie wollte so was Lahmes wie
Windsbraut
oder
Seenixe
; aber schließlich hat sie ihrem Mann dann doch erlaubt, das Schiff
Schnapsdrossel
zu taufen.
    Wir verstauen unsere Taschen, unsere Rucksäcke und die Köder im Bug. Die Catalina ist auch bei Wellengang stabil, sodass wir wahrscheinlich nicht nass werden. Es sei denn, Andy beschließt, einen Geschwindigkeitsrekord zu brechen. Marty und ich ziehen auf alle Fälle Windjacken über.
    Ich muss zugeben, Andy hat echt Ahnung. Seine Anweisungen sind klar und deutlich. Wir lösen die Leinen und legen ab, dann ziehen wir uns die Schwimmwesten über, die unter den hinteren Sitzen aufbewahrt werden.
    Andy entdeckt einen alten Mann auf dem Pier und winkt ihm zu. Der Mann winkt zurück.
    Ich wende mich ab. »Wer ist das?«
    »Keine Ahnung. Aber ich winke ihm zu, seit ich sechs bin«, sagt Andy beruhigend. »Jetzt komm mal runter, ja? Niemand interessiert sich für das, was wir hier machen. Verhalt dich einfach normal, dann guckt auch keiner.«
    Na gut. Um diese Zeit würden viele, die so sind wie ich, ganz normal einen Gebetsteppich ausrollen. Mal sehen, ob der alte Mann dann immer noch freundlich winken würde. Winken vielleicht – aber vermutlich nach der Polizei.
    Andrew steuert uns aus dem Hafen in den St.-Law rence-Fluss . Der Wind bläht meine Jacke auf. Ich lehne mich über die Bordwand und lasse mir die Gischt ins Gesicht spritzen. Irgendwo hier im Wasser verläufteine unsichtbare Linie: Die Grenze zwischen uns und Kanada. Andy hält sich steuerbord und fährt zwischen lauter felsigen Inseln durch, auf denen
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