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Im Dunkel der Nacht (German Edition)

Im Dunkel der Nacht (German Edition)

Titel: Im Dunkel der Nacht (German Edition)
Autoren: Eileen Carr
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Mutter hatte geschrien, doch wurde von Veronicas Vater zurückgehalten. Er wies sie an, den Mund zu halten, denn es geschehe alles nur zu Max’ Besten.
    Veronica war erst sieben, doch selbst sie hatte gewusst, dass er log.
    Sie banden Max die Hände auf den Rücken und trieben ihn in Pyjama und Socken zur Tür. Er hörte nicht eine Sekunde auf, sich zu wehren, sodass sie ihn tragen mussten. Als sie ihn durch die Tür schafften, drehte er sich um und flehte: »Lass nicht zu, dass sie mich mitnehmen, Mama! Tu das nicht, Mama! Du weißt, dass das nicht richtig ist, Mama! Lass es nicht zu!«
    Doch Mama wandte sich ab, wie sie es immer getan hatte. Dad setzte sich durch, und Max war verschwunden. Hatte er gewusst, dass es für immer sein würde? Hatte es ihre Mutter gewusst? Hätte es etwas geändert? Sie vergrub ihr Gesicht in ihren Händen, ihr Herz lag schwer wie ein Stein in ihrer Brust.
    »Veronica? Ms Osborne?« Es war wieder McKnight. Ruhig, aber hartnäckig brachte er sie zurück ins Hier und Jetzt. »Wissen Sie es noch? Können Sie sich erinnern, wann Sie Ihren Bruder das letzte Mal gesehen haben?«
    Sie nickte. »Das letzte Mal, als ich meinen Bruder sah, war, als sie kamen, um ihn zu holen.« Mehr Worte brachte sie nicht am Kloß in ihrem Hals vorbei.
    Wieder bekam sie das wohlüberlegt ausdruckslose Gesicht eines Polizisten präsentiert. Es brachte sie zurück auf den Boden der Tatsachen. »Möchten Sie ein Glas Wasser? Ich brauche jetzt eines.« Whiskey war auch verlockend, doch hätte er sie nur daran erinnert, wie ihre Mutter und ihr Vater mit der Situation umgegangen wären. Wenn es ein Motto in ihrem Leben gab, dann war es, keiner Situation jemals so zu begegnen, wie es ihre Mutter oder ihr Vater taten.
    McKnight ließ ihre Hand los und stand auf. »Gerne. Wasser wäre großartig.«
    »Für mich nicht«, sagte Rodriguez von der Couch aus.
    Veronica stolperte in die Küche und hoffte, ihren lauernden Augen für ein, zwei Sekunden entfliehen zu können, doch McKnight war ihr schon auf den Fersen. Sie füllte zwei Gläser mit Eis aus dem Kühlschrank und Leitungswasser und gab ihm eines davon.
    »Was sind Sie eigentlich? Ein Sergeant?« Sie nahm einen großen Schluck Wasser und ließ die eiskalte Flüssigkeit ihren Hals hinabfließen. Sie schloss dabei die Augen und versuchte, dem Dröhnen in ihrem Kopf Herr zu werden, es auf ein erträgliches Maß einzupendeln.
    »Jepp«, sagte er und trank ebenfalls.
    Spiegelte er ihr Verhalten, um sie zu beruhigen? Sie tat das manchmal bei aufgeregten Patienten. Sie nahm dann die gleiche Haltung ein oder verschränkte die Beine im gleichen Muster. Es gab den Patienten irgendwie Rückhalt und beruhigte sie. Versuchte McKnight sie zu manipulieren, oder handelte er nur instinktiv?
    Es war im Grunde egal – es entspannte sie jedenfalls genug, um klar zu denken.
    »Ich sah Max zuletzt, als ihn Männer von der Sierra School für Jungen abholten. Das war 1990. Irgendwann im Frühling. Tut mir leid, dass ich nicht mehr sagen kann. Ich war erst sieben.«
    »Kam er nie nach Hause?« Rodriguez stellte die Frage vom Türrahmen aus. Wie lange stand er da schon? Veronica ging einen Schritt zurück und drückte sich gegen die Küchenschränke. Sie wünschte sich, die beiden würden das Gleiche tun und aufhören, sie zu bedrängen. »Nein. Er kam nie nach Hause. Er brach dort ein knappes Jahr später aus. Als er achtzehn wurde. Daddy meinte, es würde keinen Unterschied machen, ob wir ihn wiederfänden oder nicht. Er wäre erwachsen und ohnehin für sich selbst verantwortlich.«
    McKnight nickte. »Er ist also ausgerissen. Aus einer Art Schule?«
    »Die Sierra School für Jungen. Sie lag oben bei Blairsden. Es war eine Art Erziehungsanstalt, schätze ich.« Veronica rieb sich die Augen. »Ich glaube nicht, dass es sich um eine wirkliche Jugendstrafanstalt handelte. Es war der Ort, an den man ein böses Kind brachte, ehe es aus dem Ruder lief, eine Erziehungseinrichtung eben.«
    McKnight machte einige Notizen in einem Block, den er aus der Tasche gezogen hatte. »Also war Max ein solches Kind? War er in Schwierigkeiten?«
    »Ich habe mich falsch ausgedrückt. Max war kein Engel, aber er war auch kein Problem. Er war einfach ein Kind, das Dinge tat, die Kinder nun einmal tun. Er und mein Vater, die beiden … kamen nicht gut miteinander aus. Das machte aus kleinen Problemen schnell große.«
    »Also hat er keine Vorstrafen oder dergleichen?«, fragte Rodriguez.
    Veronica schüttelte den
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