Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Dienste der Comtesse

Im Dienste der Comtesse

Titel: Im Dienste der Comtesse
Autoren: CLAIRE THORNTON
Vom Netzwerk:
Ihrem Anwalt, Monsieur Barrière, hatte sie es überlassen, sich um die Einstellung des Hauspersonals zu kümmern, doch die Auswahl des Dieners wollte sie dann doch selbst vornehmen. Es wäre ihr am liebsten gewesen, gar keinen zu benötigen, aber eine Dame brauchte nun einmal einen Bediensteten in Livree, der sie in die Stadt begleitete, Besorgungen für sie erledigte und hinter ihrem Stuhl stand, um ihr zu servieren, wenn sie zu Gast in einem anderen Haus war. Da dieser Mann jedes Mal, wenn sie sich in der Öffentlichkeit zeigte, an ihrer Seite sein würde, wollte sie wenigstens jemanden, den sie halbwegs erträglich fand.
    Sie betrachtete Pierre Dumont und versuchte, durch die teilnahmslose Fassade hindurch den Menschen dahinter zu erkennen. Der letzte Bewerber hatte ihre mangelnde Erfahrung in solchen Vorstellungsgesprächen gespürt und sofort begonnen, selbst die Regie zu übernehmen. Mélusine war mit dem festen Vorsatz nach Paris gekommen, sich nie wieder ihre Entscheidungen von einem Mann abnehmen zu lassen. Ihr gefiel die Aussicht nicht, sich Vorschriften von einem Diener machen zu lassen, und so war ihre Antwort kurz und bündig ausgefallen. Sie wusste nicht, wen von ihnen beiden die Begegnung wütender gemacht hatte; sie war nur froh, als er ging.
    Dumont hatte keinerlei Anstalten gemacht, das Gespräch an sich zu ziehen. Er war nur ihren Aufforderungen gefolgt und hatte geduldig ihre Fragen abgewartet. Trotz seiner unbeweglichen Miene hielt sie ihn nicht für dumm. Ihr war nicht entgangen, wie sein Blick erst auf ihr ungepudertes Haar und dann auf ihr Kleid gefallen war. Er wunderte sich, warum sie nicht Trauer trug. In Bordeaux hatte sie das getan, acht Monate lang – schwarze Kleider, schwarze Gürtel, schwarze Hüte, schwarze Handschuhe, schwarze Schuhe … sie konnte Schwarz nicht mehr ausstehen.
    Es würde noch vier weitere Monate dauern, bis sie sich in der Öffentlichkeit wieder in farbenfrohen Gewändern zeigen durfte. Doch zum ersten Mal in ihrem Leben war sie die unangefochtene Herrin in ihrem eigenen Haus, und hier konnte sie anziehen, was sie wollte. Kein Schwarz. Kein Haarpuder. Und nur zu gern wäre sie auch ohne Diener ausgekommen, aber das kam leider nicht infrage.
    Dumont starrte auf irgendeinen Punkt über ihrer Schulter. Nein, sie glaubte nicht, dass er schwer von Begriff war. Er zeigte keinerlei Nervosität vor ihr, und seine Haltung ließ nichts von seinen Gedanken erahnen. Genau das machte sie jedoch stutzig. Schon zu oft hatte sie sich in einer solchen Situation befunden – teilnahmslos in Gegenwart einer einflussreicheren Person –, um tatsächlich zu glauben, dass er an nichts dachte. Was mochte in seinem Kopf vorgehen?
    Sie ließ sich Zeit, ihn zu betrachten. Es war verwirrend, gleichzeitig aber auch sehr befriedigend, diejenige zu sein, die die Machtposition innehatte. Sie schätzte ihn ungefähr einen Meter achtzig groß. Seine einfache Perücke war von einem unscheinbaren Braun; zweifellos hatte er eine weitaus prachtvollere getragen, als er noch in den Diensten der Duchesse de la Croix-Blanche gestanden hatte. Seine Augenbrauen waren viel dunkler, weshalb sie sich wunderte, dass er die jetzige Perücke beibehalten hatte, obwohl er ohne Anstellung war. Vielleicht wurde sein Haar langsam schütter und er war zu eitel, das zu zeigen?
    Sein Mantel saß nicht besonders, aber er war sorgfältig ausgebessert. Die Farbe stand dem Mann nicht, auf den ersten Blick vermittelte sie einen falschen Eindruck von seiner Figur. Er hielt sich gerade und war schlank, doch sie vermutete, dass er über einige Kraft verfügte. Er hatte nicht viel mehr getan, als still dazustehen und einmal quer durch den Salon zu gehen, aber sie hatte dieses unbestrittene Vertrauen in die eigenen körperlichen Fähigkeiten schon bei anderen Männern wahrgenommen und erkannte es wieder.
    Mélusine faszinierte so etwas, aber sie war zu der Überzeugung gelangt, dass sie diese Eigenschaft an Marmorstatuen lieber mochte als an Männern aus Fleisch und Blut. Jetzt warf sie einen Blick auf Dumonts Hände, denn Hände vermochten wichtige Geschichten zu erzählen. Dumonts hingen locker und entspannt herab. Sie betrachtete seine Beine und musste an die klassischen Statuen denken, die sie im Louvre und in anderen Museen gesehen hatte. Ob unter den Breeches seine Oberschenkelmuskeln wohl ebenso ausgeprägt waren wie die dieser Statuen? Plötzlich wurde sie ganz aufgeregt bei der Erkenntnis, dass es eventuell ungeahnte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher