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Im Dienste der Comtesse

Im Dienste der Comtesse

Titel: Im Dienste der Comtesse
Autoren: CLAIRE THORNTON
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Vorteile haben konnte, einen Diener einzustellen. Sie würde ihre Bitte natürlich sehr vorsichtig formulieren müssen – schließlich waren es nicht seine Oberschenkel, die sie besonders interessierten. Aber vielleicht …
    Zu spät wurde ihr klar, dass sie seine Beine viel zu lange angestarrt hatte. Sie sah auf – und ihm geradewegs in die Augen. Ihr stockte der Atem, als ihr bewusst wurde, dass ihm ihre Blickrichtung nicht entgangen war. Seine grauen Augen funkelten spöttisch, und vor Verlegenheit schoss ihr die Röte in die Wangen.
    „Besitzen Sie Referenzen?“, erkundigte sie sich kurz angebunden.
    Er zog eine Augenbraue hoch. „Hinsichtlich welcher Fähigkeiten?“
    „Als Diener!“ Sie widerstand nur mit Mühe dem Bedürfnis, mit den Zähnen zu knirschen. „Sie nutzen mir nichts, wenn Sie die letzten zehn Jahre als Lehrer gearbeitet haben.“
    Er runzelte leicht die Stirn. Ihre Bemerkung musste ihn entweder verärgert oder verwirrt haben. Sie wusste selbst nicht, wie sie auf diese Idee gekommen war; vielleicht lag es daran, dass er dieses langweilige Braun trug und sein reserviertes Auftreten ihm eine gewisse Ausstrahlung von Strenge verlieh.
    „Ich bin kein Lehrer.“ Er zog ein paar zusammengefaltete Bögen aus der Innentasche seines Mantels und reichte sie ihr mit einer anmutigen Verneigung, die Mélusine auf unangenehme Weise daran erinnerte, wie sehr es ihr selbst an Anmut mangelte. Als Tochter eines Kaufmanns war sie im Konvent zusammen mit Töchtern von Adeligen erzogen worden und hatte dann sogar einen Comte geheiratet. Aber diese selbstverständliche, fließende Eleganz der Bewegungen hatte sie sich nie ganz aneignen können.
    Sie versuchte sich auf das Schreiben zu konzentrieren, aber die Tatsache, dass er sie dabei beobachtete, lenkte sie ab. Es entsprach vollkommen ihren Standesunterschieden, dass er vor ihr stand, während sie saß. Nur die Art, wie er sie musterte – durchaus beherrscht, aber mit einer gewissen Ironie –, missfiel ihr zutiefst.
    „Setzen Sie sich!“, forderte sie ihn auf.
    Mit hochgezogenen Augenbrauen sah er sich in dem schmucklosen Raum um. „Wünschen Sie, dass ich auf dem Boden Platz nehme?“
    „Ach, um Himmels willen!“, rief Mélusine verzweifelt aus. „Es überrascht mich nicht, dass Sie eine neue Anstellung suchen, wenn Sie immer so unerträglich arrogant sind.“ Sie stand auf und stellte ihren Stuhl mitten in das Zimmer. „Hier, setzen Sie sich! Auf der Stelle!“
    Eine innere Stimme riet ihr, dass es wohl klüger wäre, dieses Gespräch zu beenden, aber Dumont war der letzte Bewerber für diese Stelle. Er brachte sie zwar aus der Fassung, verursachte ihr jedoch keine Gänsehaut. Nachdem sie zwei Jahre lang Jean-Baptistes Dienste hatte erdulden müssen, war das eine entscheidende Voraussetzung für jeden künftigen Diener. Außerdem war es zum Teil auch eine Frage des Stolzes. Sie war mit dem festen Vorsatz nach Paris gekommen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Da sollte sie zumindest imstande sein, einen Bediensteten einzustellen!
    Sie entfernte sich ein paar Schritte von Dumont und drehte sich anschließend zu ihm um. So, das war schon besser. Er saß und sah zu ihr auf, während sie sich frei im Zimmer bewegen konnte.
    „Warum suchen Sie nach einer neuen Stellung?“, fragte sie und hatte das Gefühl, die Situation wieder im Griff zu haben.
    „Ich bin mit meiner vorherigen Herrin nach Amerika gereist. Sie beschloss, dort länger zu bleiben, aber ich wollte zurück nach Frankreich.“ Er zuckte leicht die Achseln. „Und hier bin ich.“
    „Amerika?“ Bertier war einer der französischen Offiziere gewesen, die an der Seite der Amerikaner im Unabhängigkeitskrieg gekämpft hatten. In den letzten Jahren waren viele amerikanische Besucher nach Paris gekommen, und Mélusine hatte stets fasziniert ihren Erzählungen gelauscht. Sie wollte Pierre schon nach seinen Erlebnissen in der Neuen Welt fragen, besann sich dann aber eines Besseren. Stattdessen stellte sie sich vor den erloschenen Kamin und las die Zeugnisse, die er ihr überreicht hatte. „Die Duchesse de la Croix-Blanche äußert sich sehr lobend über Sie.“ Die Bemerkungen von Madame de la Croix-Blanche grenzten schon beinahe an maßlose Übertreibungen.
    „Sie war so gnädig, mir Referenzen mitzugeben, als ich aus ihren Diensten schied“, erwiderte Dumont.
    „Hm.“ Mélusine klopfte mit den zusammengerollten Papieren auf ihre Handfläche und sah ihn abschätzend an. „Falls ich
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