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Im Blutkreis - Roman

Im Blutkreis - Roman

Titel: Im Blutkreis - Roman
Autoren: Limes
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für den Bruchteil einer Sekunde, ein einziges
Mal nur. Dann versank er erneut in den Tiefen eines schwarzen und eisigen Ozeans.
    Er hatte das Gefühl, noch einmal zu sterben.
     
    Einen Tag, ein Jahr, eine Stunde später kam er wieder zu sich. Seine Welt ähnelte einem Kreis, der sich abwechselnd ausdehnte und wieder zusammenzog, einer Welt voller Sinneseindrücke. Metallisches Klirren der Tragbahren, weiße Kittel, makellose, desinfizierte Wände, die an seinen Augen vorbeizogen.
    Er hatte das Gefühl, eine Flüssigkeit zu sein, eine Art Schaum, der floss, sich verbreitete. Dann wieder wurde er zu feinem Sternenstaub, der sich allmählich verflüchtigte.
    Man brachte ihn immer wieder in einen anderen Raum. Nebelgestalten beugten sich über ihn, hörten ihn ab. Sie hielten bleiche und feuchte Gewebe in der Hand, die wie Hautfetzen aussahen.
    Er erkannte die Umrisse einer blonden Frau, die in regelmäßigen Abständen auftauchte. Jedes Mal wiederholte sie die gleichen Laute, die nach und nach zu Worten wurden: »Der Unfall« … »Nathan« … Und da war noch jemand, eine stumme, massige Gestalt, die eines Mannes vermutlich, die ihn lange beobachtete, ohne dass Nathan wusste, ob sie zu den Lebenden gehörte oder eines der Gespenster seiner Abwesenheit war.
     
    Allmählich fand er sich bereit, Flüssigkeiten zu sich zu nehmen. Die ersten Male fühlte es sich in seinem Mund wie Sand an. Aber er klammerte sich an das Leben.
    Er kehrte zurück.

    2
    Und dann eines Morgens die Wiedergeburt. Er öffnete die Augen und lag reglos da, betrachtete ein paar Sonnenstrahlen, die durch die Rollos auf die weiße Decke fielen.
    Wo war er?
    Nach und nach begann er zu spüren, wie seine Muskeln sich einer nach dem anderen wie unter Stromstößen zusammenzogen. Als er versuchte, einen Arm zu bewegen, begriff er, dass er mit einem Spanngurt am Bett festgeschnallt war. Er wollte tief einatmen, aber sein Brustkorb war eingeschnürt, ebenfalls gefangen.
    Ruhig bleiben, die Situation analysieren.
    Sein Körper, bedeckt mit einem blauen Kittel, lag in einem verchromten Bett; zu seiner rechten Hand führte ein Infusionsschlauch, der zu einer Reihe von Spritzen führte, die so eingestellt waren, dass sie rund um die Uhr Mittel injizierten; eine kleine kubische Klemme, die mit einem Monitor verbunden war, auf dem ununterbrochen Ziffernfolgen erschienen, umschloss den Zeigefinger seiner anderen Hand. Er hob leicht den Kopf und ließ seinen Blick durch das Zimmer wandern, von links nach rechts, wobei er versuchte, die Dunkelheit zu durchdringen. Verschlungene Kabel, smaragdgrün schimmernde Monitore maßen seinen Herzrhythmus, seine Hirntätigkeit.
    Das war alles, was ihn mit der Welt der Lebenden verband.
    Hinter den Milchglaswänden des Zimmers nahm er verstohlenes Murmeln wahr… Das Leben nahm wieder seinen Lauf.
    Die Tür seines Zimmers öffnete sich quietschend. Es war die blonde Frau. Er konnte ihre Gesichtszüge nicht erkennen, aber er erkannte ihre Gestalt wieder.
    »Guten Tag, Nathan. Ich bin Lisa Larsen, Leiterin der neuropsychiatrischen Abteilung dieses Krankenhauses. Ich gehöre zu dem Team, das Ihre Behandlung übernommen hat, kurz
nachdem Sie vor zwei Wochen mit dem Hubschrauber hierher gebracht worden waren. Das Alarmsignal hat mir gemeldet, dass Sie aufgewacht sind.«
    Sie sprach Englisch, und er verstand sie ausgezeichnet. Er beobachtete, wie sie hin und her ging. Zum ersten Mal nahmen seine Netzhäute Bilder auf und bewahrten sie. Sie machte ein paar Schritte, das Gesicht noch immer im Dunkeln; dann drehte sie sich langsam um. Sie hatte einen langen, geschmeidigen Körper, weiße Hände, ein schmales, hageres Gesicht und große Augen, deren Farbe Nathan nicht erkennen konnte. Während sie zu ihm kam, fragte sie ihn, ob er wisse, warum er hier sei. Er antwortete nicht, und seine Augen, die voller Fragen waren, füllten sich mit Tränen. Sie sagte, dass es nicht schlimm sei, dass jetzt alles gut werde. Sie kam noch näher und trocknete mit dem Handrücken seine feuchten Wangenknochen.
    »Die Spanngurte dienen dazu, Sie zu schützen, Sie hatten mehrere heftige Anfälle. Ich werde Sie jetzt losbinden. Wir werden auch die Schläuche entfernen. Aber Sie müssen brav sein…«
    Sie sprach mit sanfter Stimme, sagte ihm, er solle sich nicht bewegen, während sie nacheinander die Ledergurte löste, die ihn einschnürten. Sie fragte ihn, ob er Schmerzen habe, bedeutete ihm, für ein »Ja« die Lider zu schließen. Er behielt sie
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