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Im Bann des blauen Feuers

Im Bann des blauen Feuers

Titel: Im Bann des blauen Feuers
Autoren: Dana Kilborne
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verhindern, dass so etwas wie das hier passiert. Doch wie du siehst, waren all meine Mühen umsonst.“ Kummervoll schüttelte sie den Kopf. „Man kann den Lauf des Schicksals nicht verändern, sosehr man es sich auch manchmal wünscht.“
    Céleste saß einfach nur da und konnte nicht glauben, was sie da erfahren musste. Onkel Jacques … ihr leiblicher Vater? Er hatte noch vor seiner Heirat mit Tante Marie eine kurze Bettgeschichte mit Antoinette gehabt und dabei sie, Céleste, gezeugt?
    Alles, was sie je als gegeben angenommen hatte, stürzte in sich zusammen wie ein Kartenhaus. Auf ihren Schultern schien plötzlich ein riesiges Gewicht zu lasten, so als habe sich die Schwerkraft verdoppelt – nur dass offenbar lediglich sie diese Veränderung spüren konnte.
    Ihr ganzes Leben war nichts weiter als eine Lüge gewesen. Es gab ihren Vater, den angeblichen Künstler, der ihre Mutter beim ersten Anzeichen ihrer Schwangerschaft verlassen hatte, gar nicht. Und was Antoinette betraf …
    Unwillkürlich umfasste sie mit der Hand den Ring, den sie an einem dünnen Goldkettchen trug. Für sie war ihre Mutter immer so etwas wie eine Heilige gewesen. Ein perfektes Wesen, voller Wärme und Liebe. Nun hatte dieses Bild plötzlich Risse bekommen. Sie musste sich der Tatsache stellen, dass Antoinette Corbeau in vielerlei Hinsicht nur ein ganz normaler Mensch gewesen war – mit ganz normalen menschlichen Schwächen und Fehlern.
    Plötzlich verstand sie besser, warum Ash die Menschheit so verachtete. Wenn sogar Schwestern sich gegenseitig so etwas antaten … Womöglich war ein solches Verhalten genetisch vorbestimmt. Ein Erbe der Evolution, das sie einfach nicht abschütteln konnten, sosehr sie es sich auch wünschten.
    „Es tut mir leid“, sagte Tante Marie und griff über den Tisch hinweg nach ihrer Hand. „Ich wünschte, ich hätte dir das alles hier ersparen können. Aber so wie es aussieht, wäre es besser für uns alle gewesen, ich hätte dir von Anfang an die Wahrheit gesagt. Es war der Letzte Wille deiner Mutter, dass ich dir alles beibringe, was ich über die Gabe unserer Familie weiß.“
    Céleste atmete tief durch. Irgendwie schaffte sie es, die Lethargie abzustreifen, die von ihr Besitz ergriffen hatte. „Was ist es?“, fragte sie. „Was genau ist diese Gabe, von der du sprichst?“
    „Man nennt es das blaue Feuer“, erklärte Marie, und es war seltsam für Céleste, solche Worte aus dem Mund ihrer Tante zu hören. „Die weibliche Linie unserer Familie hütet es schon seit vielen, vielen Generationen. Es wird von der Mutter stets an die jüngste Tochter weitergegeben, in der es heranreift, bis es am einundzwanzigsten Geburtstag der Trägerin schließlich zur vollen Entfaltung kommt.“
    „Aber ich … Ich werde morgen einundzwanzig!“ Schockiert starrte Céleste ihre Tante an. „In genau …“ Sie warf einen Blick auf ihre Uhr. „In genau siebzehn Stunden!“
    „Was?“, mischte sich nun zum ersten Mal auch Ash ein. „Davon hast du nie etwas gesagt. Deshalb sind sie also jetzt alle hinter dir her! Sie wollen dich auf ihre Seite ziehen, solange sie dich noch unter Kontrolle halten können. Denn wenn das Feuer erst einmal erwacht ist …“
    Céleste hatte das Gefühl, in irgendeinen völlig verrückten Fantasyfilm hineingeraten zu sein. So etwas passierte vielleicht im Kino, aber doch nicht in der Realität!
    „Das war es also“, murmelte Céleste tonlos. „Dieses seltsame Gefühl, wenn ich wütend wurde oder Angst hatte. Es war mir fremd und zugleich unglaublich vertraut.“ Sie sprang auf. „Ich will das nicht, okay? Ich will mit diesem ganzen Mist nichts zu tun haben!“
    „Das verstehe ich“, sagte Ash. Er nickte bedächtig. „Aber ich fürchte, du hast keine Wahl, Céleste. Du bist die Hüterin des Feuers – und damit hältst du das Schicksal der Welt in deinen Händen. Denn nur eine der beiden Seiten, Gott oder der Teufel, kann mit der Hilfe des blauen Feuers die immerwährende Schlacht gewinnen.“
    Céleste presste sich die Handballen auf die Augen. Das alles war zu viel für sie. Am liebsten wäre sie einfach davongelaufen. Weit, weit weg von hier, wo niemand sie finden konnte. Doch dann dachte sie an Lucien. Er war erst fünfzehn, und vermutlich ängstigte er sich in diesem Moment fast zu Tode. Nach außen hin tat er zwar immer hart und unnahbar, doch das war nur Fassade. Sein Protest dagegen, dass seine Mutter ihn wie eine überfürsorgliche Glucke umsorgte.
    Sie wollte nicht,
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