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Im Bann der Wüste

Im Bann der Wüste

Titel: Im Bann der Wüste
Autoren: Steven Erikson
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«
    »Das hast du schon gesagt!«
    »Na und? Verschlagen, schmierig, aalglatt …«
    Der riesige untote Drache erhob sich lautlos von seinem Aussichtspunkt auf dem Gipfel des Tafelbergs; er spreizte die Flügel, sodass die dünnen Flughäute im Sonnenlicht schimmerten. Schwarze, ausdruckslose Augen waren auf die beiden Gestalten gerichtet, die der Oberseite der Klippe entgegenkletterten.
    Doch die Aufmerksamkeit währte nur kurz. Dann öffnete sich ein altes Gewirr vor der dahinschwebenden Kreatur, verschlang sie und verschwand wieder.
     
    Iskaral Pustl und Mogora starrten den Punkt am Himmel noch einen Augenblick länger an. Ein schwaches Grinsen glitt über das Gesicht des Priesters. »Ah, du hast dich nicht zum Narren halten lassen, was? Du bist hergekommen, um das echte Tor zu bewachen. Ihr denkt immer an eure Pflichten, ihr T’lan Imass. Ihr Knochenwerfer mit euren Geheimnissen, die mich noch zum Wahnsinn treiben!«
    »Du warst schon von Geburt an wahnsinnig«, murmelte Mogora.
    Er beachtete sie nicht, sondern fuhr fort, auf den längst verschwundenen Drachen einzureden. »Nun, die Krise ist vorbei, oder? Hättest du sie immer im Griff gehabt? Obwohl all deine Kinder darin verwickelt waren? Nicht ohne Iskaral Pustl, oh nein! Nicht ohne mich!«
    Mogora lachte geringschätzig auf.
    Er warf ihr einen bösen Blick zu und marschierte dann weiter.
    Unter dem einsamen, weit offen stehenden Fenster in der Vorderseite der Klippe blieb er stehen und schrie: »Ich bin zu Hause! Ich bin zu Hause!« Die Worte hallten noch einige Male verloren nach und verklangen dann.
    Der Hohepriester des Schattens begann auf der Stelle zu tanzen; er war zu aufgeregt, um stillstehen zu können, und er tanzte eine Minute lang, und dann noch eine. Mogora beobachtete ihn, eine Augenbraue missbilligend in die Höhe gezogen.
    Schließlich tauchte ein kleiner brauner Kopf in der Fensteröffnung auf und spähte nach unten.
    Die entblößten Fänge konnten ein Lächeln darstellen, doch Iskaral Pustl konnte sich dessen nicht sicher sein. Er konnte sich dessen nie sicher sein.
    »Oh, sieh doch nur«, murmelte Mogora, »einer deiner kriecherischen Anbeter.«
    »Du bist nicht besonders witzig.«
    »Ich bin nur eines: hungrig. Wer wird etwas zu essen machen, jetzt, wo Diener nicht mehr da ist?«
    »Du natürlich.«
    Sie begann vor Wut zu schäumen. Iskaral Pustl beobachtete ihr Getobe, und ein leises Lächeln huschte über sein Gesicht. Ach, es ist schön zu sehen, dass ich meinen Charme nicht verloren habe …
     
    Der riesige, reich verzierte Wagen stand in einer Staubwolke ein gutes Stück abseits von der Straße. Die Pferde hatten ihr Entsetzen noch immer nicht ganz überwunden; sie stampften mit den Hufen, warfen die Köpfe hoch.
    Zwei kniehohe Kreaturen kletterten aus dem Wagen und watschelten o-beinig auf die Straße zu, die langen Arme zur Seite hin ausgestreckt. Äußerlich erinnerten sie an Bhok’arala; ihre kleinen, runzligen Gesichter verzogen sich, als sie ins grelle Sonnenlicht blinzelten.
    Doch sie sprachen Daru.
    »Bist du dir sicher?«, fragte der Kleinere der beiden.
    Der andere schnaubte empört. »Ich bin derjenige, der verbunden ist, richtig? Nicht du, Irp, nicht du. Baruk ist kein Narr. Er würde dich niemals mit etwas beauftragen – außer mit Ächzarbeit.«
    »Da hast du Recht, Rudd. Ächzarbeit. Darin bin ich gut, oder etwa nicht? Ächzarbeit. Ächz, ächz, ächz – du bist dir sicher? Ganz sicher?«
    Sie trappten die Böschung hinauf und näherten sich dem letzten Baum, der die Straße säumte. Beide Kreaturen hockten sich vor dem Baum auf den Boden und starrten schweigend den verwelkten Leichnam an, der an den Stamm genagelt war.
    »Ich sehe nichts«, murmelte Irp. »Ich glaube, du hast Unrecht. Ich glaube, dass du spinnst und es nicht zugeben willst, Rudd. Ich glaube–«
    »Noch ein Wort, und ich bringe dich um, Irp. Das schwöre ich.«
    »Sehr schön. Ich sterbe gut, wie du weißt. Ächz, keuch, ächz, seufz … ächz.«
    Rudd schlenderte zum Fuß des Stamms. Nur die paar sich sträubenden Haare auf seinem Rücken verrieten, dass er vor Wut kochte. Er kletterte den Stamm hinauf, zog sich auf die Brust des Leichnams und fummelte mit einer Hand unter dem halb verfaulten Hemd herum. Er zog ein loses, zerrissenes und schmutziges Stück Stoff hervor, faltete es auseinander und runzelte die Stirn.
    Von unten klang Irps Stimme herauf. »Was ist das?«
    »Hier steht ein Name drauf.«
    »Was für ein Name?«
    Rudd zuckte die
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