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Im Bann Der Herzen

Im Bann Der Herzen

Titel: Im Bann Der Herzen
Autoren: Jane Feather
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urteilen? Was wusste sie denn von den Umständen seiner Arbeit?
    Eine innere Stimme rief ihm in Erinnerung, dass er ihr von dieser trüben Wirklichkeit, von der anderen Seite seiner beruflichen Tätigkeit, nichts verraten hatte. Diese gehörte zu jenen Dingen, die er lieber für sich behielt. Außerdem war sie für die Dienste, die der Vermittlungs-Service anbot, nicht relevant.
    Ungeachtet der progressiven Ansichten, für die The Mayfair Lady eintrat, verrieten die Artikel, dass die Verfasser und Herausgeber - Frauen, wie er vermutete - über Geld und Bildung verfügten. Diese Menschen wussten nichts von den verkommenen Straßen in Earl's Court, von den desolaten Reihenhäusern, in denen Ratten umherhuschten und der Gestank der Abtritte die Luft verpestete. Sie wussten nichts von der Realität der Tuberkulose und Ruhr, die in allen dunklen Winkeln lauerten, von den verzweifelten Müttern, die sich abmühten, ein paar Münzen für Milch für ihre rachitischen Kinder zusammenzukratzen, von den arbeitslosen Männern, die oft vertranken, was sie an Geld in die Finger bekamen, von den lauten Kneipen an jeder Straßenecke. Sich für Frauenstimmrecht und Gleichheit vor dem Gesetz einzusetzen, war einfach. Viel schwieriger aber war es, solch hehre Ansichten vor dem Hintergrund der düsteren Realität zu vertreten, in der die Unterschicht lebte.
    Immer mehr ärgerte sich Douglas Farrell, während er das Museum verließ. Vaterlos in einem aus seiner Mutter und sechs älteren Schwestern bestehenden Haushalt aufgewachsen, einem Haus voller schwatzender, streitsüchtiger, doch erstickend liebevoller Frauenzimmer, war er geneigt, in die Klage seines Landsmannes John Knox über die Monstrosität jeglicher Weiberherrschaft einzustimmen. Gewiss, Knox bezog sich auf die Königinnen, die vor dreihundert Jahren England und Schottland regiert hatten. Doch für Douglas, der sich seinen Weg durch den weiblichen Irrgarten gebahnt hatte, der seine Jugend beherrschte, bedeutete es eine gewisse Befriedigung, diese Wendung für seine persönliche Situation zu nutzen. Ein Zuviel an Liebe konnte ebenso nachteilig sein wie ein Zuwenig. Dies hatte er schon Vorjahren festgestellt und es geschafft, fünfunddreißig Jahre alt zu werden, ohne in die Ehefalle zu tappen.
    Mit Marianne war es nur ein ganz knappes Entrinnen gewesen, rief ihm eine innere, zur Aufrichtigkeit mahnende Stimme in Erinnerung, doch unterdrückte er das leise Raunen unbarmherzig. Die Vergangenheit war abgetan, und wenn er nun bereit war, die Ruhe des Junggesellenlebens im Interesse seiner hingebungsvollen Arbeit für die Armen Londons zu opfern, war das allein seine Sache.
    Es war nicht einzusehen, warum der Reichtum einer privilegierten, wenn nicht gar adeligen Frau nicht dazu dienen sollte, das Los leidender Menschen zu lindern, deren Existenz sie ansonsten kaum zur Kenntnis nahm. Und er sah auch nicht ein, warum er seine beträchtlichen medizinischen Fähigkeiten nicht in den Dienst ebendieses menschenfreundlichen Anliegens stellen sollte, indem er die Hypochonder, die sich seine Dienste leisten konnten, tüchtig schröpfte. Mit welchem Recht also faselte dieses zu klein geratene verschleierte Geschöpf mit dem lächerlichen falschen Akzent über Liebe und Respekt in der Ehe? Sie hatte eine Dienstleistung anzubieten, und es ging sie nichts an, aus welchem Grund ihre Klienten diese in Anspruch nahmen. Von Liebesbeziehungen war er für ewig geheilt. Wenn er eine gewollt hätte, wäre er eine eingegangen.
    Nach wie vor wütend, lief er die Stufen des Museums hinunter und marschierte in Richtung St. James's Park, in der Hoffnung, die kalte Luft würde seinen Aufruhr dämpfen, was sie auch tat. Als er den Park durchquert und Buckingham Palace erreicht hatte, meldete sich sein gewohnter Sinn für Humor wieder. Von seinem fünften Lebensjahr an hatte er gelernt, dass ein Mann im Umgang mit Frauen Humor haben musste, wenn er bei klarem Verstand bleiben wollte.
    Chastity lief über Trafalgar Square, diesmal ohne die Tauben zu beachten, die als flatternder gurrender Schwärm zu ihren Füßen aufflogen. Sie winkte an Charing Cross eine Droschke herbei und gab dem Kutscher die Adresse Manchester Square Nr. 10 an. Als sie einstieg, rümpfte sie die Nase über den aus der Polsterung aufsteigenden Tabakgeruch.
    Sie hatte sich auf das Treffen mit Douglas Farrell gefreut. An dem Tag, als er den Eckladen betreten hatte, um eine Ausgabe von The Mayfair Lady zu erstehen, reizte der Arzt, der in
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