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Im Auftrag der Liebe

Im Auftrag der Liebe

Titel: Im Auftrag der Liebe
Autoren: H Webber
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Stimme, mit der er gewöhnlich meine schlimmsten Verfehlungen tadelte: »Du, Lucy Valentine, hast deiner Familie gegenüber eine Verpflichtung.«
    »Also wirklich, Oscar.« Meine Mutter fächelte sich nach wie vor mit hochroten Wangen wütend Luft zu.
    Er hob die Hand. »Judie, du weißt genauso gut wie ich, dass die Firma von einem Familienmitglied geleitet werden muss. Sonst geht alles den Bach runter. Denk doch an all die armen Menschen, die hilflos umherirren werden, wenn wir nicht da sind, um ihrem Liebesleben auf die Sprünge zu helfen. Nach dem Infarkt und dem ganzen Theater hinke ich mit der Arbeit sowieso schon hinterher. Jemand muss sich darum kümmern, während ich weg bin. Und das bist du, Lucy.«
    Ich stand auf und ging zum Fenster. Draußen konnte sich die Sonne nicht länger gegen eine dicke Wolkenschicht durchsetzen. Schneeflocken wirbelten in einem hypnotisierenden Muster umher und verschwanden im dunklen Wasser des Hafenbeckens. Thanksgiving stand vor der Tür, und dann war bald auch schon Weihnachten.
    Niemand war an den Feiertagen gerne allein. Bei all den einsamen Herzen auf der Suche nach Liebe würde das Geschäft auf Hochtouren laufen.
    Sie alle würden mich um Hilfe bitten.
    Allein bei dem Gedanken drehte sich mir schon der Magen um. »Aber wie denn? Du weißt doch ganz genau, dass ich keine …«
    Er unterbrach mich. »Dann tu eben einfach so.«
    »Meinst du nicht, dass wir dadurch mehr Kunden verlieren würden, als wenn jemand anderes die Firma leitet?«
    »Der Schlüssel zum Erfolg liegt in unseren Genen. Unserer DNA. Die Firma gehört in die Hand eines Familienmitglieds. Und in diesem Fall bist eben du dran, Lucy. Du bist die letzte einer langen Reihe von Valentines – bis du eines Tages selbst Kinder hast.«
    Einen Moment lang dachte ich, er würde mir jetzt einen Vortrag übers Kinderkriegen halten, so wie meine Großmutter Dovie es gerne bei jeder sich bietenden Gelegenheit tat.
    Es stimmte ja, dass von den Valentines jeder die Fähigkeit hatte, passende Partner zusammenzuführen. Dieses Talent lag schon seit Jahrhunderten in der Familie. Es hieß, dass angeblich Amor selbst einem unserer Vorfahren diese Gabe verliehen hatte.
    Mein Dad hatte da aber ein klitzekleines Detail außer Acht gelassen.
    In der Familie verfügte jeder Blutsverwandte über diese Fähigkeit – alle außer mir.
    Mein Talent war einem elektrischen Schlag zum Opfer gefallen, als ich vierzehn war, nur um durch übersinnliche Fähigkeiten ganz anderer Art ersetzt zu werden.
    Meine Mutter ließ die Zeitschrift sinken und sah mich an. »Du musst das nicht machen.«
    »Das habe ich gehört!«, rief mein Vater.
    »Wie gut, dass dein Hörvermögen vom Infarkt nicht in Mitleidenschaft gezogen wurde«, zog sie ihn auf.
    Ich fand solche Sticheleien zwischen ihnen toll. Wenn sie nicht so sehr damit beschäftigt wären, so zu tun, als ob ihre Ehe eine reine Farce wäre, würden sie sich vermutlich ganz gut zusammenraufen.
    Nur die Freundinnen meines Vaters störten ein wenig.
    »Verdammt, ich finde meine Badehose einfach nicht! Lucy?«
    Er tauchte abermals auf und schaute mich fragend an.
    Meine Mutter schüttelte den Kopf und bat mich mit Blicken, es nicht zu tun.
    Ich sah vom einen zum anderen und erkannte meine eigenen Augen in den ihren. Ich hatte die leicht gebeugte Figur meiner Mutter und war farblich gesehen eine Mischung aus beiden, dominiert von goldenem Braun. In jedem von ihnen konnte ich etwas von mir erkennen, einiges davon mochte ich, anderes weniger. Aber eins war ganz klar. Wenn mich beide um etwas baten, setzte mein Vater immer seinen Willen durch. Es lag an seinen riesigen braunen Augen und diesem Dackelblick, dem ich nicht widerstehen konnte.
    »Na gut«, willigte ich ein.
    Er streckte die Hand aus, und ich griff mit beiden Händen danach. Ich sah das Bild der Badehose vor mir aufblitzen. »Dritte Schublade rechts, hinter dem Stapel Playboys .«
    Er wurde rot.
    »Verräterin«, murmelte meine Mutter, als er nachschauen ging.
    Ich kämpfte gegen das leichte Schwindelgefühl an, das mich immer überkam, wenn ich eine Vision hatte, und ließ mich auf dem Sofa neben ihr nieder. »Tut mir leid. Hast du schon gepackt?«
    »Meine Taschen sind unten. Wir nehmen ein Wassertaxi zum Logan Airport.«
    »Du musst das nicht machen«, sagte ich und wiederholte damit ihre eigenen Worte.
    Sie schob mir eine Strähne hinters Ohr, die sich aus meinem Pferdeschwanz gelöst hatte, eine Geste von ihr, die mir seit meiner
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