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Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition)

Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition)

Titel: Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition)
Autoren: Christoph W. Bauer
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befanden sich die Stuben, eine im vorderen, eine im hinteren Stock, dazu je eine Diele, ferner die Küche. Darunter, zu ebener Erde im vorderen Hausteil der Ladenbereich, im hinteren der Steingaden, ein gemauerter Vorratsraum, an den sich ein Keller anschloss; rückseitig ein Stall. Die ausdrückliche Nennung des Begriffs Steingaden in den Quellen erklärt doch schon einiges, findest du nicht?
    Mag sein.
    Erklärt er vielleicht die Brandkatastrophen? Denn bis auf die Steingaden sind die Behausungen aus Holz, erst in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts fängt man an, die Häuser ganz aus Stein zu bauen, und gibt ihnen mit den Lauben das Aussehen, das heute den Fremdenverkehr ankurbelt.
    Dass die Altinnsbrucker in Holzhütten hausten, passt wunderbar in mein Bild von einem Ort, dessen Begrenztheit sich in seinen Bewohnern widerspiegelt.
    Von einer Enge erzählen dir auch die Häuser, dazu brauchst du nur durch die Altstadt zu spazieren, vor allem erzählen sie dir von den Menschen, die den Ort zu dem machten, was er heute ist, sie erklären dir die Stadt von A bis Z. Nehmen dich die Häuser ins Alphabet –
    Was interessiert mich dein Anbruggen – wie das schon klingt!
    Du kannst statt Anbruggen auch trans pontem sagen, enunt der prukken oder enhalben der prukh, so diverse Bezeichnungen bis zum Beginn des 15. Jahrhunderts. Die Namen stammen nicht von mir, genauso wenig habe ich das Haus gebaut, in dem du wohnst. Was weißt du eigentlich von diesem Stadtteil, der sich laut einem Immobilienmakler, den ich neulich traf, immer mehr zum Klein-Istanbul entwickle? Wie sollte es auch anders sein, wo doch der Namensgeber des Viertels St. Nikolaus gebürtiger Türke ist, wenngleich –
    Worauf willst du hinaus?
    Man muss ihm nicht erklären, dem Makler, wie rasch die Ignoranz das Sesamöffnedich zur Blindheit wird, aber fröhlich lächelnd ins Gesicht sagen möchte man es ihm schon, dass gerade das südländische Flair diese Straße so besonders auszeichnet. Freilich, warum nicht die Ware, mit der er handelt, erzählen lassen, warum den Häusern dieser Stadt das Wort abgraben, sie zeugen seit Jahrhunderten von vielfältigsten Einflüssen. Von mährischen Fremdenverkehrspionieren erzählen sie, von hessischen Cafetiers, von savoyischen Handelsfamilien, von Bürgermeistern und Karrierefrauen, von Berufen, die es nicht mehr gibt, und von Gewerben, an denen sich bis heute lediglich die Luden bereichern. Diese Bar hier zum Beispiel, sie erzählt dir von –
    3
    Er winkte dem Barkeeper zu, kurze Zeit später hielt er einen Schlüssel in der Hand, komm mit, forderte er mich auf, hängte sich seine Tasche um, prall gefüllt war die. Ich ihm nach in ein Gewölbe, das sich direkt an die Bar anschloss und als Getränkelager diente. Er nahm Platz auf einer Steintreppe: Dort hinten, schau!
    Ich sah unter einer abblätternden Vertünchung eine Mauer durchschimmern.
    Das ist Rollsteinmauerwerk. Aber du siehst selbst, was da mit Mörtel verbunden zur Mauer wird, abgerundete Steine, vielleicht stammen sie aus einem Bach in der Nähe. Diese Wand erzählt dir von der Bauweise einer mittelalterlichen Stadt, und der Gedanke ist doch reizvoll, einmal unter das fließende Wasser eines Baches zu sehen, als wollte man Steine klauben für den anstehenden Hausbau. Erst Mitte des 14. Jahrhunderts genehmigt der damalige Landesfürst Ludwig der Brandenburger den Bürgern der Stadt das Brechen von Tuff in allen Gruben, die sie finden. Und gut ein halbes Jahrhundert später bewilligt Herzog Leopold V. –
    Ist ja alles schön und gut. Führst du mich deshalb in ein Getränkelager?
    Vieles von dem, was dir dieser Raum erzählt, könntest du auch woanders hören. Das Rollsteinmauerwerk vor deiner Nase, es ist von einer Regelmäßigkeit, wie sie noch typisch ist für das Hochmittelalter – und das fand bekanntlich nicht nur in Innsbruck statt.
    Gebaut wurde dieses Haus aber schon früher, lange vor dem Hochmittelalter, der Barbesitzer hat mir das erzählt.
    Du hast recht. Die früheren Versionen dieses Baus stammen aus dem 12., 13. Jahrhundert, aus einer Zeit also, in der die Andechser zu einem bedeutenden Adelsgeschlecht aufsteigen und einen beträchtlichen Landbesitz ihr Eigen nennen können. Sie besitzen neben ihrem ursprünglichen, der Herkunft verdankten Bereich im süddeutschen Raum auch Herrschaftsrechte in Franken, Kärnten, Krain und Tirol, sind Markgrafen von Istrien, Herzöge von Meranien und Grafen von Burgund. Alleine das führt vor Augen, wie
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