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Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition)

Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition)

Titel: Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition)
Autoren: Christoph W. Bauer
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fächerförmig zugeordnet, wobei das kleinere im größeren aufgeht, in dessen Prägung eine beinahe deckungsgleiche Entsprechung findet. Ob Paris oder Innsbruck, Häuser erzählen dir stets vom Bauplan einer –
    Also, ich bitte dich, du kannst doch Paris nicht mit Innsbruck vergleichen. Jede Stadt geht ihren eigenen Weg, die unsere seit Jahrhunderten in die falsche Richtung, dabei ist sie längst wieder bei ihren Wurzeln angelangt als Posten in der tiefsten Provinz. Mir war alles zu eng hier, angefangen von der Wortarmut der Heimischen, in der die Borniertheit Feste feiert, bis hin zum kulturellen Programm. Innsbruck mit Wien, Paris oder Florenz zu vergleichen, ist völlig absurd, fluchte ich in mich hinein, warf meinem Gesprächspartner über die Schulter zu: Du verallgemeinerst.
    Tu ich das? Bringst nicht eher du durch deine Verdrossenheit mit den hiesigen Verhältnissen einen allgemeinen Nenner ins Spiel, bei dem jeder Vergleich von vornherein hinkt? Was erwartest du? Ein Apfel wird nicht zur Birne, Innsbruck nicht zu Paris. Aber beide Städte werden kultiviert von politischen, sozialen und kulturellen Strömungen, von Handlungsweisen und Zeitphänomenen; sie berichten von Seuchenspitälern und Armenvierteln, zeugen vom Aufblühen der Gewerbe, von der Verwaltung einer Stadt – diesbezüglich hat das Haus, in dem wir uns befinden, einiges zu bieten.
    Ich musste mich hart am Riemen reißen, ein Apfel wird nicht zur Birne, was sollte das?
    Du trauerst wie ich und viele in dieser Bar den Chancen nach, die du verpasst hast, und wälzt deinen Frust darüber ab auf eine Stadt in der selbstgefälligen Annahme, dass ihr Schweigen deine Ansichten bestätigt. Aber es liegt nicht an ihrer Stummheit, sondern an deinen Ohren, dass du nichts hörst. Und ist es nicht ein Widerspruch zu verdammen, was man längst nicht mehr sieht?
    Was willst du eigentlich von mir, kannst du mich nicht in Ruhe lassen? Und überhaupt: Was soll eine Bar schon von der Verwaltung dieser Stadt erzählen?
    Er verzog keine Miene, ich griff zum Glas, es rutschte mir beinah aus der Hand –
    Ist deine Verdrossenheit nicht Ausdruck des Unwissens, deiner Blindheit?
    Er schaute an mir vorbei Richtung Tür, vor der die Stadt nur zu erahnen war, weil das Auge sie dort wusste und der Dunkelheit Fenster ausbrach wie einer Mauer.
    2
    Stell dich auf die Innbrücke! Dort drüben auf der rechten Innseite, ursprünglich Prämonstratenser Chorherrenland, die heutige Altstadt. Denk dir an ihrer Statt Felder, herrliches Bauland, auf das man im 12. Jahrhundert vom linksseitigen Ufer aus sehnsüchtig blickt. Dort, an der alten Handelsstraße, über die seit langem der Nord-Süd-Verkehr fließt, entsteht im Lauf der Jahre die Ansiedlung Anbruggen, die ihre Geburt mehr oder weniger Herzog Heinrich von Bayern verdankt. Der hat im Konflikt mit den Andechsern deren Burg Ambras kurzerhand abfackeln lassen und somit die Burgherren bewogen, sich schon aus rein strategischen Gründen vom südlichen Talrand an den nördlichen zu verlegen. Freilich, was als taktischer Plan aufgeht und aus natürlichen Gegebenheiten vor Angreifern feit, wird der neu gegründeten Siedlung zum Problem: Sie hat den Fluss vor der Tür und hinterm Haus ein Gebirge, ist somit an einer Ausweitung gehindert, die Anbrugger stehen im wahrsten Sinn des Worts mit dem Rücken zur Wand.
    Das ist in dieser Stadt nichts Außergewöhnliches.
    Stehst du gut auf der Brücke, hörst du das Ächzen der Bohlen? Pass auf, dass du nicht unter die Räder kommst! Vom frühen Morgen bis spät abends donnern mit Sand, Kalk und Holz beladene Wagen an dir vorbei, denn nachdem die Andechser den Chorherren von Wilten einen Flecken Land – und mehr war’s letztlich nicht – auf der rechten Innseite abgekauft haben, geht es Schlag auf Schlag. Was muss das für ein Hämmern gewesen sein dort drüben in der heutigen Altstadt, was für ein Feilschen um die besten Bauplätze. Wie gesagt, das erhaltene Grundstück ist nicht groß, nur eine etwas breitere Straße lässt es zu, sie ist heute eine der Touristenattraktionen der Stadt schlechthin. Jährlich zoomen abertausende Kameras die Häuser in Fotoalben, wollte man den Vorgängerbauten ebenso viel Aufmerksamkeit schenken?
    Anfänglich bestanden die Häuser dort aus einem Erdgeschoß und einer Etage darüber, wurden zudem unterteilt in vorderen und hinteren Stock, waren also von der Straße aus nach rückwärts in die Länge gezogen, was bis heute so geblieben ist. Im Obergeschoß
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