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Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition)

Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition)

Titel: Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition)
Autoren: Christoph W. Bauer
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Hofburgbesitzer denn auf Wirte angewiesen? Auch die Weiterreise des Kaisers nach Wels war keineswegs eine Folge der Wirtshausrevolutionäre, sondern schon lange vorher geplant. Faktum ist lediglich, dass Maximilian pleite war und die von seinem Gefolge verursachten Außenstände seines letzten Innsbruckbesuchs im Jahr 1516 nicht begleichen konnte – das ist ein Stammtischthema, nicht? Oder unterhält sich Konz Speiser mit seinen Freunden über den Kaiser, der sich in der Martinswand versteigt? Das muss für Gelächter sorgen, einmal Flachländler, immer einer, was muss sich ein Wiener Neustädter auch ins Gebirge aufmachen!
    Ich erinnerte die Anekdote, derzufolge sich Maximilian beim Felsklettern in eine derart ungünstige Position gebracht hatte, dass es einer aufsehenerregenden Rettungsaktion bedurfte.
    Kaum anzunehmen, dass man im Gasthaus über Maximilians dynastische Auslandspolitik diskutiert, über seine Verwaltungsreform wohl auch nicht. Weiß Konz Speiser, dass Innsbruck zu jener Zeit zur zentralen Finanzbehörde aufsteigt, hier der Sitz der österreichischen Schatzkammer ist? Dass die Stadt zur Drehscheibe internationaler Verhandlungen wird, zu denen Abgesandte aus dem ganzen Reich eintreffen? Eines entgeht ihm jedenfalls nicht, dem Konz Speiser, die Funktion der Stadt als Bindeglied zwischen dem südlichen und nördlichen Europa, er kann sich davon überzeugen, wenn er vor die Haustür tritt, der Warenverkehr wälzt sich über jene Straße, in der er wohnt.
    Wohnt er allein?
    Er ist verheiratet und hat Kinder, zumindest lässt das Testament darauf schließen, neben einer Menge Küchengeräte ist auch eine Kindswanne erwähnt. Was würde Speisers Frau nicht alles erzählen können über den Wochenmarkt, der seit 1460 dienstags und samstags unter den Lauben der Altstadt abgehalten werden darf, die Markttage sind ein Fest, ein Erlebnis. Schon früh morgens kommen die Bäuerinnen aus den umliegenden Dörfern in die Stadt, bald riecht es nach verschiedensten Kräutern, nach Geräuchertem, hängt der erdige Geruch von Feldfrüchten in der Luft. Und Konz Speisers Frau wird an den Markttagen so wenig wie Margarethe Türing die Möglichkeit auslassen, sich mit anderen Frauen auszutauschen – tratscht man über Bianca Maria Sforza, die zweite Gemahlin Maximilians?
    Wer war seine erste Frau?
    Maria von Burgund. Es heißt, Maximilian habe sie wirklich geliebt, obwohl er auch diese Ehe zunächst aus politischen Erwägungen einging. Die beiden wurden zum Paar, mit dem man heute Klatschspalten füllen könnte. Gewiss wäre auch der tragische Tod Marias der heutigen Hochglanzpresse eine fette Schlagzeile wert, die Tochter Karls des Kühnen starb mit 25 Jahren durch einen Reitunfall.
    Und warum sollten die Frauen über die Sforza tratschen?
    Die vereinsamt am Hof, der Kaiser ist kaum in der Stadt, regiert im Sattel und verweilt grundsätzlich nur sehr kurz an einem Ort. Selbst bei seinen seltenen Besuchen ignoriert er die Gemahlin zumeist. Vielleicht stehen die Innsbruckerinnen dem Schicksal der reichen Mailänderin auch gleichgültig gegenüber, es ist ihnen bekannt, dass Maximilian diese Frau nur ihres Reichtums wegen ehelichte, ein Zweckbund, wie er damals auch in bürgerlichen Kreisen üblich ist. Hauptsache, das Geld fließt und –
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    Er hat große Ideen, der Kaiser, doch um diese umsetzen zu können, braucht er Kapital – ist das ein Stammtischthema? Ärgert man sich über den Ausverkauf der Heimat, der mit Maximilian beginnt? Braucht man denn die Fugger aus Augsburg, wo man doch die Tänzl und Ipphofer hier hat, zwei angesehene Innsbrucker Bürgerfamilien jener Zeit? Aber sind nicht die Ipphofer selbst aus Mittelfranken gekommen? Auf jeden Fall haben sie in der Altstadt ein Doppelhaus errichtet, in dem man sich gerade befindet, weil es eines der ersten Gasthäuser der Stadt ist, der Goldene Löwe.
    Und die Tänzl?
    Ihr Vermögen rührt aus einem Erwerbszweig her, der sich zu Konz Speisers Zeit erst zu entwickeln beginnt, aus dem Bergbau. Der bringt den Tänzl so viel ein, dass sie sich Schloss Tratzberg im Unterinntal kaufen können und keine Kosten scheuen müssen, es verschwenderisch auszubauen. Schlossherren sind sie ja nun, die Tänzl, fehlt nur die Erhebung in den Adelsstand, die erfolgt unter Maximilian. Auch die Ipphofer adelt der Kaiser, sie werden zu einer der reichsten Familien der Stadt, und ich frage mich, wie oft Konz Speiser an einem ihrer Häuser vorbeigegangen ist, zum Beispiel am Winkler-Haus
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