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Illusionen

Illusionen

Titel: Illusionen
Autoren: Richard Bach
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wie es funktioniert.«
    »Das ist klar, Don. Das hätte ich dir auch sagen können.« »Vielen Dank. Ich stoße endlich auf den Gedanken, dessentwegen ich überhaupt dieses Leben gelebt habe; ein Lebenswerk liegt hinter mir, und er hat nichts weiter zu sagen als: >Das ist klar, Don.<«
    Er lachte, aber es war ein trauriges Lachen. Damals wußte ich noch nicht, weshalb.

 
19. Kapitel
     
    Das Kennzeichen deiner Unwissenheit
    ist die Stärke deines Glaubens an
    Ungerechtigkeit und Unglück.
     
    Was für die Raupe das Ende der Welt ist,
    nennt der Meister einen Schmetterling.
     
    Diese Worte des Handbuchs waren meine einzige Warnung am Tag vor dem Ereignis. Zuerst war es nur die vertraute, kleine, auf den Rundflug wartende Menschenansammlung. Sein Flugzeug rollte nach der Landung aus und stoppte neben ihnen mit einem Aufwirbeln des Propellerwindes, eine zwanglose, vertraute Szene, die ich vom Tragflügel der Fleet beobachten konnte, während ich sie auftankte. Im nächsten Augenblick gab es einen Knall wie von einem geplatzten Reifen, und dann explodierte das Menschenknäuel und spritzte auseinander. Der Reifen der Travel Air war unversehrt, der Motor lief ruhig im Leerlauf weiter wie im Augenblick davor, aber in der Bespannung unterhalb des Cockpits war jetzt ein fünfundzwanzig Zentimeter großes Loch. Shimoda, zur anderen Seite gedrückt, hing mit dem Kopf nach unten, sein Körper reglos wie im plötzlichen Tod.
    Es dauerte ein paar tausendstel Sekunden, bis ich begriff, daß Donald Shimoda erschossen worden war. Im nächsten Augenblick ließ ich den Benzinkanister fallen, sprang von der oberen Tragfläche und rannte los.
    Es hätte in einem Filmdrehbuch stehen oder eine Szene aus einem Laienspiel sein können: ein Mann mit einer Schrotflinte, der mit all den anderen fortrannte und dabei so dicht an mir vorbeikam, daß ich ihn mit einem Säbel hätte treffen können. Jetzt weiß ich, daß er mir damals ganz gleichgültig war. Ich war weder zornig noch geschockt, noch entsetzt. Ich wollte nur, so schnell ich konnte, zum Cockpit der Travel Air gelangen, um mit meinem Freund zu sprechen.
    Es sah aus, als hätte ihn eine Granate getroffen: Die linke Körperhälfte bestand nur noch aus durchlöchertem Leder, Fleischfetzen und Blut, eine einzige scharlachfarben durchtränkte Masse.
    Sein Kopf hing über der Anlasserpumpe rechts unten am Instrumentenbrett. Hätte er seinen Rückengurt angeschnallt gehabt, wäre er nicht derart nach vorn geschleudert worden. »Don! Bist du okay?« Welch närrische Frage!
    Er schlug die Augen auf und lächelte, das Gesicht feucht vom eigenen Blut. »Richard, wie sieht es aus?«
    Ich war gewaltig erleichtert, ihn sprechen zu hören. Wenn er reden und denken konnte, dann würde alles wieder in Ordnung kommen.
    »Nun, wenn ich es nicht besser wüßte, würde ich sagen: Du hättest da ein kleines Problem.«
    Er rührte sich nicht, bewegte nur ein wenig den Kopf. Plötzlich erfaßte mich wieder Angst. Seine Reglosigkeit war schlimmer als all das Blut. »Ich dachte immer, du hättest keine Feinde.« »Ich habe auch keine. Das war... ein Freund. Besser, als daß... irgendein Rachsüchtiger... sein Leben um meinetwillen... ruiniert.«
    Pilotensitz und Seitenabdeckung waren blutdurchtränkt - es würde Zeit und Mühe kosten, die Travel Air wieder zu säubern. Die Maschine selbst war nur leicht beschädigt.
    »War das nötig, Don?«
    »Nein«, antwortete er flüsternd und atmete kaum. »Aber die Vorstellung..., ich glaube, die hat mir gefallen...«
    »Na, jetzt aber los! Rette dich rasch selber! Bei den Menschenmengen, die noch kommen werden, haben wir noch viel zu fliegen!« Aber während ich ihn aufzog, und trotz all seiner Weisheit und all seiner Erkenntnis der Wirklichkeit, sackte mein Freund Donald Shimoda das letzte kleine Stück vorwärts auf den Knopf der Anlasserpumpe und starb.
    In meinen Ohren dröhnte es, die Welt geriet ins Trudeln, ich rutschte den zerfetzten Flugzeugrumpf entlang und ins nasse, rote Gras. Ich hatte das Gefühl, als ob das Gewicht des Leitfadens in meiner Tasche mich auf die Seite zöge. Als ich unten aufschlug, fiel er heraus. Der Wind fächerte die Seiten auf. Entmutigt hob ich das Buch auf. Ist das das Ende, dachte ich, sind die Worte eines Meisters nur ein schöner Klang, die ihn
    nicht einmal gegen den Angriff eines tollwütigen Hundes auf irgendeinem Feld gefeit machen?
    Ich mußte es dreimal lesen, ehe ich glauben konnte, was auf der Seite stand.
    Alles, was in
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