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Illusion der Weisheit

Illusion der Weisheit

Titel: Illusion der Weisheit
Autoren: Gianrico Carofiglio
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sprechen –, erinnern Sie sich an Ihre Bestellung, wenn Sie mit Ihren Freunden im Saloon essen gingen?
    W: Aber klar doch. Ein zwei Finger dickes Steak, einen Berg Pommes und ein kleines Fass Bier.
    I: Ganz genau. Wenn ich mit meinen Eltern ins Restaurant ging, bestellte ich haargenau das Gleiche: ein zwei Finger dickes Steak, einen Berg Pommes …
    W: Was ist an einem Berg Pommes auszusetzen?
    I: Nichts, mal davon abgesehen, dass ich zehn war und auch das kleine Fass Bier haben wollte.
    W: Sie sind ein komischer Vogel, ich muss schon sagen. Aber was haben Bohnen, Steaks und Pommes mit der Sache von vorhin zu tun? Dass ich Sie verfolgt hätte und so?
    I: Ein Psychologe würde sagen, ich hätte ein Verhaltensmodell introjiziert. Parameter für mein Handeln waren Sie, Mr Willer. Und mit diesem Parameter gingen die Probleme nicht erst im Restaurant los.
    W: Wo denn dann?
    I: Wenn man sich prügeln musste zum Beispiel.
    W: Wenn man irgendwelchen Witzfiguren und Volltrotteln den Schädel massieren oder die Stiefel in den Hals stecken musste …
    I: Richtig, genau. Auf diese aberwitzigen Ausdrücke kommen wir später zurück. Zunächst möchte ich nur sagen (denn Sie erinnern sich ja nicht, dabei gewesen zu sein), dass ich einen Haufen Prügel kassiert habe, weil ich Ihren Ratschlägen gefolgt bin.
    W: Wieso das?
    I: Wenn es mal wieder Streit gab – und in dem Viertel, in dem ich groß geworden bin, war das gang und gäbe –, wäre mein erster Impuls gewesen, möglichst schnell zu verduften. Aber dann tauchten Sie plötzlich auf und sagten, ein echter Kerl verdrücke sich nicht, er stelle sich der Gefahr, er zähle seine Gegner nicht und so weiter. Ich war so blöd, Ihnen zu glauben, und jedes Mal kam ich grün und blau nach Hause, das Gesicht dick wie eine Satteltasche. Meine Eltern machten sich ziemliche Sorgen.
    W: Tja, das tut mir leid, aber ich glaube, ein Sesselfurzer wie Sie – denn der Kategorie scheinen Sie definitiv anzugehören – sollte Situationen und Orte meiden, an denen er zu Schaden kommen könnte. Im Saloon hätten Sie beispielsweise nichts verloren.
    I: Leicht gesagt, wenn man von Haus aus unbesiegbar ist. Ich habe hier ein paar Statistiken, die ich in einem Buch von vor ein paar Jahren gefunden habe. Dieser Untersuchung zufolge …
    W: Eine Untersuchung über mich?
    I: Ja, diese Untersuchung besagt, dass Sie seit dem ersten Heft mehr als tausend Menschen vermöbelt hätten, Weiße, Indianer, Chinesen, Schwarze, Araber, Sheriffs, Senatoren und … auch einen Alien.
    W: Was, bitte, ist ein Alien?
    I: Ein Außerirdischer.
    W: Ach ja, ich glaube, ich erinnere mich. Dieser schuppige Typ, ist ’ne Ewigkeit her …
    I: Genau der. Den haben Sie auch ordentlich vertrimmt. Wie auch immer: Es waren über tausend Schlägereien, und Sie haben nicht einen einzigen Faustschlag kassiert. Kann es sein, dass Ihre Schöpfer Sie ein wenig in Schutz nehmen, wenn es Keile gibt? Ganz zu schweigen von dem schier unglaublichen Schwein, das Sie haben, wenn jemand versucht Sie umzubringen.
    W: Sie klingen vor allem ziemlich neidisch. Außerdem stimmt es nicht, dass ich nie was eingesteckt habe. Einmal hat ein Tortillafresser …
    I: Sie meinen, ein Mexikaner?
    W: Klar, was sonst?
    I: Klar, was sonst? (Mit einem halb empörten, halb resignierten Kopfschütteln sieht er ins Publikum.) Aber kommen wir nicht vom Thema ab. Dieser Mexikaner also?
    W: Ein gewisser Ordoñez. Ich muss sagen, der prügelte wie ein Kesselflicker und hat mich sogar gewürgt.
    I: Und wie ist es ausgegangen?
    W: Ich hab die Pistole gezogen und ihn zum Kohle schippen zum Deiwel geschickt.
    I: Genau, Sie sind mal wieder heile davongekommen. Aber da Sie gerade vom Kohleschippen und Deiwel reden und unsere Zeit begrenzt ist, würde ich gern auf die Ausdrücke zu sprechen kommen, die Sie und Ihre Freunde benutzten.
    W: Und die wären?
    I: Ich habe mir einige notiert. Ich gebe Ihnen meine Notizen, denn es ist mir unmöglich, sie zu wiederholen. Wären Sie so freundlich, sie laut vorzulesen?
    Er reicht Tex das Blatt. Der blickt drauf und bewegt lautlos die Lippen.
    W: …
    I: (räuspert sich) Ich sagte, wären Sie so freundlich, sie laut vorzulesen?
    W: Tanzender Methusalem, alter Deiwel, elender Höllenhund, gute Reise in die Hölle, fahr zur Hölle, Deiwels Hörner, bei allen Deiweln, Feuer der Hölle, wir sehen uns in der Hölle wieder, bei Joschafats Bart …
    I: Gehen Sie mal ein bisschen weiter runter …
    W: Ein bisschen weiter runter, also … Mein
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