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Ilium

Titel: Ilium
Autoren: Dan Simmons
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funktioniert nicht mehr. Ich habe noch zwei weitere ausprobiert. Nichts.«
    »Vielleicht ist das griechisch-trojanische Schlachtendrama zu Ende.« Harman hielt sich die verzierten Schaltkreise im Tuch an die Stirn und warf es dann fort. »Vielleicht ist die Turin-Geschichte vorbei.«
    Odysseus, der zum Fenster hinausgeschaut hatte, drehte sich zu der kleinen Gruppe um. »Das glaube ich nicht«, sagte er. »Ich vermute, der wahre Krieg hat gerade erst begonnen.«
    »Weißt du etwas über das Turin-Drama?«, fragte Hannah. »Hast du nicht gesagt, du hättest dich nie unter das Tuch gelegt?«
    Odysseus zuckte die Achseln. »Savi und ich haben die Turin-Tücher vor fast zehn Jahren verbreitet. Ich habe den Prototyp aus … weiter Ferne mitgebracht.«
    »Warum?«, fragte Daeman.
    Odysseus öffnete die Hand. »Der Krieg stand bevor. Die Menschen hier auf der Erde mussten etwas über den Krieg lernen, über seinen Schrecken und seine Schönheit. Und sie mussten etwas über die Menschen in dieser Geschichte lernen – über Achilles, Hektor und die anderen. Auch über mich.«
    »Warum?«, fragte Hannah.
    »Weil der Krieg wirklich bevorsteht«, sagte Odysseus.
    »Wir sind nicht daran beteiligt«, sagte Ada.
    Odysseus verschränkte die Arme. »Aber ihr werdet es sein. Ihr seid noch nicht an der vordersten Front, aber die Kampflinien verlagern sich hierher. Ihr werdet von diesem Konflikt erfasst werden, ob ihr es wollt oder nicht.«
    »Wie können wir daran teilnehmen?«, fragte Ada. »Wir wissen nicht, wie man kämpft. Und wir wollen es auch gar nicht lernen.«
    »Ungefähr sechzig der jungen Männer und Frauen, die hier geblieben sind, werden in ein paar Wochen ein wenig über das Kämpfen wissen«, sagte Odysseus. »Ob sie kämpfen wollen, wenn es so weit ist, liegt bei ihnen. Wie immer.« Er zeigte auf Harman. »Ob du es glaubst oder nicht, euer Sonie lässt sich reparieren. Ich habe daran gearbeitet, und in acht oder zehn Tagen fliegt es vielleicht schon wieder.«
    »Ich will keine Kämpfe mitansehen«, sagte Ada. »Ich will keinen Krieg erleben.«
    »Nein«, sagte Odysseus. »Da hast du völlig Recht.«
    Ada senkte den Kopf, als würde sie gegen die Tränen ankämpfen. Als sie ihre geschlossene Hand aufs Bett sinken ließ, legte Daeman seine Finger neben ihre und gab ihr Hannahs Vergissmeinnicht. Dann driftete er in den Schlaf.
     
    Er erwachte in Dunkelheit und Mondlicht. Eine Gestalt saß an seinem Bett. Caliban! Daeman hob instinktiv den rechten Arm und ballte die Hand zur Faust, und der Schmerz ließ Lichter hinter seinen Augen auflodern.
    »Immer mit der Ruhe«, sagte Harman und beugte sich über ihn, um den verbundenen Arm wieder gerade hinzulegen. »Immer mit der Ruhe, Daeman.«
    Daeman schnappte nach Luft und versuchte, sich nicht vor Schmerz zu übergeben. »Ich dachte, du wärst …«
    »Ich weiß«, sagte Harman.
    Daeman setzte sich im Bett auf. »Glaubst du, er ist tot?«
    Der Schattenmann schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Ich habe mich gefragt … habe darüber nachgedacht. Über alle beide.«
    »Alle beide?«, sagte Daeman. »Du meinst, auch über Savi?«
    »Nein … das heißt, ja, ich denke oft an sie … aber ich habe über Prospero nachgedacht. Über das Prospero-Hologramm, das behauptet hat, es sei nur ein Echo eines Schattens oder so ähnlich.«
    »Was ist damit?«
    »Ich glaube, es war Prospero«, flüsterte Harman. Er beugte sich näher zu ihm. »Ich glaube, er war irgendwie in der Asteroidenstadt der Nachmenschen eingesperrt – ›meine Insel‹, wie das Prospero-Holo sie genannt hat –, genauso, wie Caliban dort eingesperrt worden war.«
    »Von wem?«, fragte Daeman.
    Harman lehnte sich zurück und seufzte. »Ich weiß es nicht. In letzter Zeit weiß ich rein gar nichts mehr.«
    Daeman nickte. »Es hat ganz schön lange gedauert, bis wir genug gelernt hatten, um zu der Erkenntnis zu gelangen, dass keiner von uns irgendetwas weiß, nicht wahr, Harman?«
    Harman lachte. Doch als er wieder sprach, klang seine leise Stimme ernst. »Mich beunruhigt der Gedanke, dass wir sie befreit haben könnten.«
    »Sie befreit?«, flüsterte Daeman. Noch vor einer Sekunde war er hungrig gewesen, geradezu heißhungrig, aber jetzt fühlte sich sein Magen an, als wäre er mit Eiswasser gefüllt. »Caliban und Prospero.«
    »Ja.«
    »Vielleicht haben wir sie getötet«, sagte Daeman mit harter Stimme.
    »Ja.« Harman stand auf und fasste ihn an der Schulter. »Ich gehe jetzt und lass dich ein bisschen
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