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Ihre Leidenschaft

Ihre Leidenschaft

Titel: Ihre Leidenschaft
Autoren: Véronique Olmi
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Hässlichkeit an diesem Abend, wie sehr ich dich lieben werde, du wirst mir sagen, was dir fehlt, ich werde dir unsere Zukunft sagen, die gemeinsame Zukunft, die einzig mögliche.
     
    Sie hörte Geräusche, Wasser gurgelte in der Leitung, die Hähne im Bad nebenan zitterten, Glas splitterte, ein Schrei schrillte, wieder Glas. Dann nichts mehr.
     
    Sie rannte zum Bett, Hände und Nase waren eiskalt, sie schlüpfte unter die Decke, steckte den Kopf unter die Decke, um weniger zu frieren und nichts von der Umgebung mitzubekommen, nicht mehr das Wasser, die schrillen Schreie, das Klirren, die Gereiztheit zu hören, sie würde verschwinden, die Augen schließen und in seiner Stimme versinken, seiner leisen Nachtstimme, etwas heiser um ein Uhr morgens, würde sich sein Gesicht vorstellen, den Tagesbart, die leichten Augenringe und die strubbligen Haare, er roch sicher nach Schlaf, bestimmt raste sein Puls wie bei einem, der hofft, waren seine Wangen gerötet wie bei einem, der eine Liebesbotschaft geschickt hat und nur Schweigen als Antwort erhält, die große Unbekannte des Schweigens, jede nur denkbare Hoffnungslosigkeit vermischt mit den unvernünftigsten Gelüsten, bestimmt hatte er immer wieder nach Nachrichten geschaut, die Mailbox abgehört, vergeblich, und er wusste nicht, dass er in ein paar Sekunden nicht mehr allein sein würde, dass sie sich in ein paar Sekunden vereinen, wiederfinden, wiedererkennen würden, denn sie würden ihre Stimmen, ihre Zärtlichkeiten, ihre Geheimworte, die albernen, köstlichen Liebescodes wiedererkennen, würden die Pausen hören, das Schweigen, das kleine Räuspern, das Zögern und sogar das Lächeln.
    Und jetzt bekam sie Angst. Eine leichte, erregende Angst. Tausend Ameisen im Bauch. Sie lächelte aufgeregt, zog die Nase kraus, ihre feuchten Hände auf dem verchromten Handy, was für ein Wahnsinn, auf seine Nachricht zu antworten, sich in diese Liebe zu stürzen, was für ein Wunder.
     
    Sie las seine Nachricht noch einmal: Du felst mir
    Drückte die 4: zurückrufen. Das kleine rote Lämpchen begann zu blinken, blinken, blinken, auf der Suche nach den richtigen Wellen, dem richtigen Netz, dem richtigen Empfänger … Patricks Name, blau auf weißem Hintergrund, blieb angezeigt. Beim zweiten Klingeln nahm er ab.
     
    Natürlich war seine Stimme heiser, so vertraut, so schön, dieses krächzende »Hallo?«, etwas misstrauisch, erstaunt, voller Hoffnung, sie schloss ganz fest die Augen, biss sich auf die Lippen, sie wusste, dass es keine Worte gab, um die Verwirrung, die Befürchtungen, den Jubel auszudrücken, sie hätte ein Tier sein und nur einen Ton von sich geben mögen, ein Grunzen, einen schrillen Ruf, eine Vibration. Wenn sie einander gegenüberstünden, wäre es einfacher, sich anzusehen wäre sicher unerträglich, also würden sie sich in die Arme nehmen und mit der ganzen Kraft ihres Sehnens und ihrer Liebe drücken, sie würden die Freude mit dem Schmerz und die Tränen mit Küssen mischen.
    Er wiederholte, nun etwas beunruhigt, »Hallo? Bist du’s?«
    »Ich bin’s.«
     
    Sie kauerte sich noch mehr zusammen, um sich ganz und gar in seine Stimme zu schmiegen, nur noch in seinem Atem da zu sein, er sollte durch ihre Adern strömen, ihr ganzes Inneres sollte erfüllt, erwärmt sein von seinem Atem, wie ein zweites Leben.
    Denn er war ihr Leben. Er war das einzig Wahre, das einzig Wirkliche in dieser Unendlichkeit vor ihr: der Zeit. Und die Zeit ohne ihn, diese zehn Tage ohne ihn waren nur Verwirrung gewesen, ein Wust von Verabredungen, professionell und höflich, Gemeinplätze, Verpflichtungen, um durchzuhalten, ohne richtig in Gang zu kommen, Tage, die den Tagen der anderen glichen, dieselbe griesgrämige Stimmung in denselben Metros, den gleichen Bars, Restaurants, Boulevards, ins Bett gehen und aufstehen im Rhythmus der anderen, eine Unbekannte sein, die den Tagesablauf von tausend Unbekannten teilt, dieselbe Zeit erlebt, ohne dass je etwas daraus hervorsprudelt.
    Zehn Tage ohne ihn waren zehn verlorene Tage gewesen, zehn Tage für die Katz.
    Und jetzt, wie ein Wunder, antwortete seine Stimme auf ihre, seine gespannte Erwartung auf ihre, waren ihre Herzen aufs Neue erlöst.
    »Ich bin in R. Auf der Messe in R., weißt du?«
    »Ich weiß.«
     
    Sie hatten ihre Terminpläne ausgetauscht, damit das Außenleben, das Leben, um sein Leben zu verdienen, in den Hintergrund trat, nur eine Unterbrechung war, die ihre Geduld auf die Probe stellte und ihre Wiedersehensfreude
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