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Ihr wahrer Name

Ihr wahrer Name

Titel: Ihr wahrer Name
Autoren: Sara Paretsky
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gesucht, das ihn zu einem ernstzunehmenden Konkurrenten für den Bürgermeister machen würde. Ich persönlich allerdings hielt den Protest gegen den IHARA nicht für eine Frage, die die ganze Stadt betraf.
    Posner hatte seine Maccabees und Durham seine eigenen militanten Anhänger. Er hatte sogenannte Empower-Youth-Energy-Teams aufgebaut, zuerst in seinem eigenen Bezirk, später in der ganzen Stadt, um die jungen Männer weg von der Straße und in Ausbildungsprogramme zu bringen. Aber manche dieser EYE-Teams, wie sie allgemein hießen, hatten auch eine düstere Seite. Man munkelte, daß Ladeninhaber, die sich Durhams politischen Kampagnen nicht anschlossen, vertrieben oder verprügelt wurden. Außerdem hatte Durham eine eigene Gruppe von EYE-Bodyguards, die ihn, bekleidet mit ihrem unverwechselbaren marineblauen Blazer, bei allen öffentlichen Auftritten umgaben. Falls Maccabees und EYE-Team vorhatten, aufeinander loszugehen, war ich froh, als Privatdetektivin in meinem Wagen zu sitzen, und nicht als Polizistin die Demonstranten auseinanderhalten zu müssen.
    Im Schrittempo fuhr ich am Hoteleingang vorbei und bog in Richtung Osten auf Höhe des Grant Park in die Randolph Street ein. Dort waren alle mit Parkuhren ausgestatteten legalen Parkplätze besetzt, aber, so dachte ich, die Polizisten hatten sicher vor dem Hotel Pleiades so viel zu tun, daß sie sich jetzt nicht um Parksünder kümmern konnten.
    Ich legte meine Tasche in den Kofferraum und holte Calia vom Rücksitz. Sie wachte kurz auf, dann sank ihr Kopf wieder auf meine Schulter. Sie würde also nicht selbst bis zum Hotel gehen. Ich biß die Zähne zusammen und trug ihre zwanzig Kilo stolpernd die Stufen zur tiefer gelegenen Ebene des Columbus Drive hinunter, wo sich der Seiteneingang des Hotels befand. Es war mittlerweile schon fast fünf Uhr: Hoffentlich würde ich Max ohne große Probleme finden. Wie ich gehofft hatte, befand sich vor dem unteren Eingang keine Menschenmenge. Ich ging mit Calia auf dem Arm an den Angestellten vorbei und fuhr mit dem Aufzug hoch zum Foyer. Hier waren genauso viele Leute wie draußen, allerdings ging es ruhiger zu. Hotelgäste und Teilnehmer an der Birnbaum-Konferenz drängten sich an der Tür und fragten sich besorgt, was da los sei und was man dagegen unternehmen könne.
    Ich machte mir wenig Hoffnung, Max in dieser Menge zu sehen, als ich ein mir bekanntes Gesicht entdeckte: Al Judson, der Chef des Hotelsicherheitsdienstes, stand neben der Drehtür und sagte gerade etwas in sein Funkgerät. Ich drückte mich zu ihm durch. »Wie geht's, Al?«
    Judson, ein Schwarzer von kleiner Statur, fiel in Menschenansammlungen nicht weiter auf. Als ehemaliger Polizist, der vierzig Jahre zuvor zusammen mit meinem Vater im Grant Park Streife gegangen war, wußte er, wie man brisante Situationen im Auge behielt. Als er mich sah, trat ein erfreutes Lächeln auf sein Gesicht. »Vic! Na, auf welcher Seite stehst du?«
    Ich lachte, wenn auch ein bißchen verlegen: Mein Vater und ich hatten uns seinerzeit in die Haare gekriegt, als ich an den Antikriegsdemonstrationen im Grant Park teilnahm, während er den dortigen Einsatzkräften zugewiesen wurde. Ich war damals noch ein Teenager gewesen, dessen Mutter im Sterben lag, und so verwirrt, daß ich selbst nicht wußte, was ich wollte. Also hatte ich mich eine Nacht lang den Yippies angeschlossen und mit ihnen den Park unsicher gemacht. »Eigentlich suche ich den Großvater des kleinen Mädchens hier. Aber sollte ich deiner Meinung nach raus auf die Straße?«
    »Tja, dann müßtest du dich zwischen Durham und Posner entscheiden.«
    »Ich weiß, daß Posners Kampagne gegen die Versicherungen gerichtet ist, aber was will Durham?« Judson zog die Schultern hoch. »Er will die Regierung dazu bringen, daß sie es Unternehmen untersagt, hier Geschäfte zu machen, wenn sie von der Sklaverei in den Vereinigten Staaten profitiert und den Nachkommen der Sklaven keine Entschädigung gezahlt haben. Seiner Meinung nach darf der IHARA erst dann verabschiedet werden, wenn diese Klausel darin aufgenommen wird.« Ich stieß einen leisen Pfiff aus: Der Stadtrat von Chicago hatte bereits eine Resolution verabschiedet, die Entschädigungszahlungen für die Nachkommen von Sklaven forderte. Aber solche Resolutionen sind nicht mehr als nette Gesten -Zugeständnisse an die jeweiligen Wahlkreise ohne tatsächliche Zahlungsverpflichtung. Es konnte gut sein, daß der Bürgermeister sich in eine prekäre Situation
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