Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ihr Pferd ist tot - Steigen Sie ab

Ihr Pferd ist tot - Steigen Sie ab

Titel: Ihr Pferd ist tot - Steigen Sie ab
Autoren: Tom Diesbrock
Vom Netzwerk:
menschlich, denn wir alle haben riesige Angst vor Entwertung und Beschämung. Nur: Wie groß ist denn überhaupt die Gefahr, dass man uns als erwachsenem Menschen so begegnet? Dass man uns als »Hochstapler« entlarven könnte, der viel weniger draufhat, als er vorgibt? Ist dies nicht eher die Angst und Sichtweise eines Kindes? Wir werden später noch sehen, dass wir tatsächlich oft unerwachsen reagieren, wenn Ängste im Spiel sind. Ohne eine gute Selbsteinschätzung meiner Kompetenzen sind berufliche Veränderungen schwer zu realisieren. Im Zweifelsfall werde ich mich immer wieder gegen gute Optionen entscheiden, weil ich mir nicht genug zutraue. Und wenn ich mich lange Zeit klein und kleiner gemacht habe, bleibt mir wirklich nur noch mein totes Pferd als einzige berufliche Möglichkeit.
    Ich habe in meiner Arbeit Menschen kennen gelernt, die trotz Diplom und Promotion in einem Job verharrten, der weit unter ihren Möglichkeiten lag – weil sie meinten, dass mehr einfach nicht ginge.

    |38|
Kann es sein, dass Ihr Bild von sich und Ihren Fähigkeiten eher negativ gefärbt ist? Ist dies möglicherweise ein Grund für Sie, nicht wirklich über berufliche Alternativen nachzudenken?
    8. Sicherheitsprimat
»Ein totes Pferd ist verlässlich und gibt mir Sicherheit.«
    »Ich weiß sehr gut, dass mein Job mich unzufrieden und vielleicht irgendwann krank macht. Möglich, dass mein Leben besser und ausgefüllter sein könnte. Aber wer garantiert mir, dass mir ein anderer Job genauso viel Sicherheit gibt? Keiner! Und deshalb bewege ich mich lieber gar nicht.«

    Stellen Sie sich vor, jemand reist schon eine Weile auf einem Kreuzfahrtschiff, das jetzt leider leckgeschlagen ist. Durch ein Loch dringt Wasser – nicht viel, aber dummerweise zu viel für die Pumpen. Die meisten Passagiere haben sich schon in Rettungsbooten abgesetzt. Aber dieser Jemand weigert sich, von Bord zu gehen, und verweist darauf, dass das Schiff doch bisher ein sicherer und komfortabler Ort gewesen ist. Welche Gefahren mögen in so einem kleinen Boot auf dem Ozean drohen? Das Kreuzfahrtschiff hat sich schließlich bewährt, und wer weiß schon, ob es wirklich untergehen wird! Bestimmt wird der Reiseveranstalter dafür sorgen, dass bald Hilfe kommt, davon ist er überzeugt. Warum also unnötige Risiken eingehen?
    Eine absurde Geschichte. Natürlich. Wer würde sich jemals so verhalten? Na ja, ich kenne eine Menge Menschen, die sich zwar vielleicht nicht an untergehende Schiffe, aber an Jobs klammern, die auf absehbare Zeit mit ziemlich hoher Sicherheit »ihr Untergang« sein werden. Und genau wie unser Kreuzfahrer folgen sie der »Logik des Sicherheitsprimats«. Ich habe ja schon beschrieben, dass der Gedanke an Veränderung bei den meisten Menschen Angst auslöst. Das Unbekannte beurteilen wir anscheinend automatisch erst einmal als potenziell |39| gefährlich. Dieser Mechanismus ist ja auch sinnvoll, um uns davor zu schützen, leichtfertig unser Leben aufs Spiel zu setzen, er sorgt für unsere Sicherheit. Sein natürlicher Gegenspieler ist unser Streben nach Glück, Aufregung, neuen Erfahrungen und Wachstum. Beides ist in jedem von uns angelegt – individuell sehr unterschiedlich ist aber, wer in uns die Oberhand hat.
    Für den einen reicht ein geringes Maß an Unzufriedenheit und Stagnation, um sich sofort auf die Suche nach neuen Möglichkeiten zu machen. Sein »innerer Sicherheitsbeauftragter« wird sich erst einmischen, wenn die Risiken ihm existenzbedrohend scheinen. Ein anderer Mensch braucht viel mehr Veränderungsdruck und Leiden, bis er sich auf den Weg macht. Und auch dann ist er immer darauf bedacht, die Lösung mit dem scheinbar geringsten Risiko zu wählen – sein Sicherheitsbeauftragter ist immer wachsam und übernimmt häufig die Kontrolle. Ob wir eher zu der einen oder anderen Seite neigen, hängt von unseren Erfahrungen, der Persönlichkeit und auch vom jeweiligen Thema ab: Denn möglicherweise sind wir zum Beispiel im Privatleben bereit, höhere Risiken einzugehen als im Beruf oder umgekehrt.
    Je sicherheitsorientierter wir sind, desto mehr Stress bedeutet eine mögliche Veränderung für uns. Und ein typischer Reflex auf Stress ist die »Totstellreaktion« (alle Lebewesen reagieren auf Gefahr entweder mit Angriff, Flucht oder Totstellen): Sie bewirkt, dass ich mich nicht mehr bewege oder orientiere, sondern nur noch verharre, wo ich bin, bis die Gefahr vorüber ist. Eine recht archaische Reaktion, die natürlich nicht unbedingt den
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher