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Ihr Pferd ist tot - Steigen Sie ab

Ihr Pferd ist tot - Steigen Sie ab

Titel: Ihr Pferd ist tot - Steigen Sie ab
Autoren: Tom Diesbrock
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Anforderungen der Situation genügt. Aber unser Großhirn gibt gern vor, Herr der Lage zu sein (auch wenn es an der Stressreaktion kaum beteiligt ist), und findet schnell viele gute Argumente, die anderen und uns selbst erklären, dass wir das Bestmögliche und Vernünftigste tun. Auch wenn wir gerade ein totes Pferd reiten oder mit unserem Schiff untergehen …
    Stress führt außerdem dazu, dass wir den Status quo grundsätzlich als eher sicher bewerten und Gefahren, die eine Veränderung mit sich bringen könnten, eher überschätzen. Erstaunlich oft erlebe ich, dass Menschen angesichts einer beruflichen Veränderung Angst haben, alles zu verlieren und völlig mittellos auf der Straße zu landen – obwohl |40| sie dieses Risiko dann rational bei genauerer Betrachtung als doch eher gering einschätzen. Diese Tendenz zur Risikoüberschätzung mag unseren Vorfahren vor Zigtausenden von Jahren beim Überleben geholfen haben. Denn tödliche Gefahren zu vermeiden war bestimmt viel wichtiger, als etwas Neues zu entdecken. Nur werden wir heute – jedenfalls im Berufsleben – nicht mehr von so vielen tödlichen Gefahren bedroht. Leider hat sich unser Gehirn auf diese »neue« Situation noch nicht eingestellt.
    Wie wir es auch drehen und wenden: Die Suche nach Neuland wird immer mit einem gewissen Maß an Risiko verbunden sein. Wenn ich aus Angst reflexhaft nur darauf schaue, in jeder Situation ein Maximum an Sicherheit zu haben, ist mein Bewegungsradius sehr, sehr klein. Mit so wenig innerem Spielraum werde ich kaum eine wirklich neue Lösung finden können. Viel eher werde ich mich häufiger auf sinkenden Schiffen wiederfinden. Natürlich gibt es auch Menschen, denen Sicherheitsdenken fremd ist und die gern hohe Risiken eingehen, wenn ihr Leben dadurch nur nicht eintönig und gleichförmig ist. Sie würden wohl niemals so lange warten, bis ihr Pferd tot ist …

    Wie schätzen Sie sich ein? Welche Rolle spielt Sicherheit für Sie, wenn es um Ihre berufliche Neuorientierung geht? Könnte es Ihnen auch passieren, dass Sie auf einem toten Pferd noch ein bisschen sitzen bleiben, weil es Ihnen so schön sicher erscheint?
    9. Gruselige Arbeitsmarktlegenden
»Auf dem Pferdemarkt findet jemand wie ich
doch niemals ein richtig gutes Pferd.«
    »Klar hätte ich gern einen anderen Job. Aber heutzutage wäre es Selbstmord, freiwillig einen sicheren Arbeitsplatz aufzugeben. Man weiß doch, dass auf dem Arbeitsmarkt Mangel und Leid herrschen. Da halte ich mich lieber fern und bleibe, wo ich bin.«

    |41| Egal ob die Konjunktur gerade im Auf- oder Abwind ist und die Zahl der Arbeitslosen steigt oder fällt – der Arbeitsmarkt wird gern als Argument gebraucht, an einem ungeliebten Job kleben zu bleiben. Denn in den Köpfen vieler Menschen geht es dort gruselig zu: Es herrscht grundsätzlich ein schlimmer Mangel, weil Arbeitsplätze ein knappes Gut sind. Der Arbeitsmarkt hat immer nur Interesse an den anderen, nie an mir. Dieser Markt ist eher ein Schlachtfeld, auf dem die Gesetze des Dschungels gelten. Nur die ganz Harten und Rücksichtslosen können hier gewinnen. Oder junge Leute mit einer Superqualifikation und Megaerfahrung. Otto Normalmalocher wird dort auf das Abstellgleis geschoben – wer sich auf den Arbeitsmarkt begibt, landet früher oder später auf dem Arbeitsamt.
    So, wie sich ein Gruselfilm auf der Kinoleinwand abspielt, wird
der
Arbeitsmarkt – so glauben viele – ausschließlich in Stellenanzeigen und Jobbörsen abgebildet. Dort finden sie aber entweder Angebote für genau die Tätigkeit, mit der sie gerade so unzufrieden sind – oder eine attraktivere, für die sie sich nicht qualifiziert halten. Für Reiter von toten Pferden ist diese Lektüre fast immer ein sicheres Mittel, um sich die Laune zu verderben und um sich zu bestätigen, was man ja schon vorher wusste: dass es keinen Ausweg gibt, weil
der
Arbeitsmarkt keine Angebote bereithält.
    Die Angst vor Arbeitslosigkeit ist bei vielen Menschen, die gern eine neue Tätigkeit hätten, verständlicherweise groß. Oft nehmen Menschen aber wie selbstverständlich an, dass es für die Jobs, von denen sie träumen, ganz sicher keinen Bedarf gibt. Nur basiert so eine Befürchtung häufig auf Annahmen, die gar nicht erst differenziert überprüft werden. Anstatt intensiv zu recherchieren, mit Menschen und Unternehmen zu sprechen und vielleicht auch nach ähnlichen Alternativen zu suchen, halten sie lieber an ihrem Glauben an den Arbeitsmarkt, der ihnen keine Chancen
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