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Ihr Kriegt Mich Nicht!

Ihr Kriegt Mich Nicht!

Titel: Ihr Kriegt Mich Nicht!
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setzte sich ihm gegenüber.
    »Die andern haben auch Steine geworfen«, sagte Mik mit gesenktem Kopf.
    Er zeichnete etwas auf die Bank.
    »Hör auf damit«, sagte Frau Lind.
    Er zeichnete weiter und sagte: »Das war doch bloß so ein Alki.«
    »Bloß so ein Alki? Wie kannst du so was sagen? Sieh mich an, Mik. Wie geht es dir eigentlich?«
    »Gut«, antwortete er, den Blick auf die Bank geheftet.
    »Ich meine, wirklich. Wie hast du’s zu Hause?«
    »Gut.«
    Frau Lind stand auf und ging zu Miks Schublade, in der seine Zeichnungen lagen. Sie nahm ein dickes Bündel heraus. Viel Blut, Sehnen, Arme, Beine, Köpfe. Und vereinzelt Augen, die aus den Höhlen gekullert waren.
    »Du zeichnest nur abgehackte Körperteile. Die hast du gut getroffen. Zeichnen und malen, das kannst du. Aber die Motive … die … sind irgendwie krankhaft. Gibt es sonst nichts, was du zeichnen möchtest?«
    Mik zuckte mit den Schultern und versuchte zu lächeln, sagte aber nichts. Frau Lind brachte das Bündel Zeichnungen mit, als sie sich wieder zu ihm setzte.
    »Diese Zeichnung, was soll die darstellen?« Sie hielt ein blutiges Kunstwerk hoch. Fleisch, Sehnen und Knochen.
    »Das ist eine abgehackte Hand.«
    »Ja, das sehe ich. Aber warum?«
    »Die Farben sind schön.«
    Mik und Frau Lind schwiegen. Sie beugte sich über die Bank, um zu sehen, was er auf die Bank zeichnete. Ein langer, gewundener Bleistiftschnörkel. Striche und Kreise wanden sich ineinander und bildeten ein kompliziertes Muster. Es gab keine losen Enden, alles ringelte sich in endlosen Schleifen.
    »Was soll das darstellen? Eine Schlange?«
    »Weiß nicht«, sagte Mik. »Vielleicht Gedanken.«
    »Das musst du ausradieren, bevor du gehst. Dann müssen wir überlegen, wie wir diese Sache klären sollen.«
    Mik radierte, und alles wurde ein einziges schwarzes Geschmiere. Er hatte keine Ahnung, was da überhaupt geklärt werden sollte.
    »Dein Vater ist nicht zum Elternabend gekommen.«
    »Er war erkältet.«
     
    Auf dem Heimweg blieb Mik mitten auf der Brücke stehen und sah auf die blauen Vorortzüge hinunter, die unter blitzenden Stromleitungen angesaust kamen. Die Züge wurden langsamer und hielten am Bahnhof Solna an. Leute quetschten sich aus den Türen und drängelten über den Bahnsteig, um als Erste bei den Bussen zu sein. Um rechtzeitig nach Hause zu kommen, bevor … ja.
    Mik hatte es überhaupt nicht eilig, nach Hause zu kommen. Er wollte, dass Tony vor ihm heimkam. Dann fühlte er sich wohler. Langsam ging er den Gehweg am Råsundavägen entlang. Ein großer Fernlaster donnerte vorbei und brachte den Boden zum Vibrieren. Ein Polizeiwagen kam mit Martinshorn und Blaulicht angefahren. Mik blieb kurz vor der Pizzeria stehen und sog den Duft ein. An der Ecke lag der Tabakwarenladen. Das Schaufenster war ganz braun vom Straßenverkehr. Mik rieb mit der Hand ein Stück Scheibe sauber, im Schaufenster lagen Pfeifen und aufgeklappte Zigarettenetuis auf einem Bett aus verblasstem grünen Samt. Ganz vorne im Fenster stand eine Reihe glänzender Feuerzeuge aus Silber und Gold neben einer offenen Pralinenschachtel voller staubiger Pralinen. Und mitten im Fenster lag ein kleines ausgestopftes Krokodil, aus dessen aufgeplatzter Bauchnaht Sägespäne herausquollen.
    Was machte das Krokodil dort? Und wo kam es her? Aus Afrika, Südamerika oder Madagaskar? Vielleicht war es ein Nilkrokodil. Mik öffnete die Tür und trat in den Laden, um sich zu erkundigen.Vier Stufen führten in die Tiefe, in der Luft hing ein schwerer Duft nach Tabak, dunkel und feucht und gut. Hinter der Ladentheke waren Regale voller Zigarrenschachteln und Zigarettenstangen. Oben unter der Decke lagen Stapel von Pralinenschachteln und Schokolade in verschiedenen Fächern. Auf der Theke drängten sich Tabakdosen und Pfeifen. Eine große, blasse Frau mit schwarzen Haaren trat durch einen dunkelroten Vorhang hinter der Theke. Sie musterte ihn mit leuchtend grünen Augen und zündete sich eine Zigarette an.
    »Kannst du schwimmen?«, fragte sie und blies ihm Rauch ins Gesicht.
    Mik zögerte, die Frage kam ihm komisch vor.
    »Kinder ertrinken so leicht. Also, kannst du jetzt schwimmen?«
    »Ja.«
    Sie streckte sich zum obersten Regal, holte zwei Tafeln Schokolade herunter und gab sie ihm. Die Packungen waren schief und krumm. Geschmolzene Schokolade, die wieder fest geworden war.
    »Die lassen sich sowieso nicht mehr verkaufen. Der Karton stand zu lange in der Wärme, aber mit dem Geschmack ist noch alles in
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