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Idoru

Idoru

Titel: Idoru
Autoren: William Gibson
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Stab, der die Spitzen von ein paar Strähnen einsaugte und abschnitt. Am Schluß würden sie die weltweit größte Sammlung gespaltener Haarspitzen haben, dachte Chia. Jetzt war die Blonde an der Reihe. Die jungen Soldaten waren zu zweit: Einer bediente das Prüfgerät, der andere rasselte den Spruch herunter, man habe sich ja bereits damit einverstanden erklärt, indem man bis hierher gekommen sei, und bitte zeigen Sie mir Ihren Paß.
    Chia sah zu, wie die Frau ihren Paß abgab und irgendwie von einer Sekunde zur anderen betont sexy wurde, als wäre eine Glühbirne aufgeflammt, mit einem strahlenden Lächeln für den Soldaten, was dazu führte, daß er zwinkerte und schluckte und beinahe den Paß fallen ließ. Grinsend steckte er ihn in eine kleine Konsole, die an der Sperre angebracht war. Der andere Soldat hob seinen Stab. Chia sah, wie die Frau nach oben langte, eins ihrer Haarteile auswählte und ihm dessen Ende für die Probe hinhielt. Das Ganze dauerte vielleicht acht Sekunden, einschließlich der Rückgabe ihres Passes, und der erste Soldat lächelte immer noch, als Chia nun an die Reihe kam.
    -26—
    Die Frau ging weiter, nachdem sie – da war Chia ziemlich sicher – gerade eine mittelschwere Straftat begangen hatte.
    Sollte sie es dem Soldaten sagen?
    Aber sie tat es nicht, und dann bekam sie ihren Paß zurück und war auf dem Weg zum Flugsteig 53. Wo sie nach der Frau Ausschau hielt, sie aber nicht entdeckte.
    Sie sah sich die Werbung an, die über die Wände lief, bis sie aufgerufen wurden, sich hintereinander aufzustellen und an Bord zu gehen.
     
    Platz 23 E blieb leer, während Chia auf den Start wartete und ein Pfefferminz lutschte, das ihr der Flugbegleiter gegeben hatte. Der einzige leere Platz im Flugzeug, schätzte sie. Wenn niemand kam, um sich dort hinzusetzen, dachte sie, dann konnte sie die Armlehne hochklappen und es sich gemütlich machen. Sie versuchte, ein negatives mentales Feld aufzubauen, eine Schwingung, die jeden davon abhalten würde, in letzter Minute einzusteigen und dort Platz zu nehmen. Zona Rosa machte so was, es gehörte zu dem ganzen Martial-Arts-Ding ihrer Mädchenbande. Chia verstand nicht, wie man ernsthaft glauben konnte, es würde funktionieren.
    Und das tat es auch nicht, denn da kam diese Blondine den Gang entlang, und sah Chia nicht einen Funken des Wiedererkennens in ihren Augen?
    -27-

3
Fast wie ein
    normaler Mensch
    L aney hatte Kathy Torrance am Abend eines Wochentags – eines Mittwochs – zum letzten Mal zu Gesicht bekommen, und da war ihr Tattoo nicht zu sehen gewesen. Sie hatte im Käfig gestanden und geschrien, während er seinen Spind ausräumte. Sie trug einen Armani-Blazer aus metallgrauem Barchent, und der dazu passende Rock verbarg das Zeichen aus dem All. Im offenen Kragen ihrer weißen Bluse im Herrenhemdschnitt war eine einzelne Perlenkette zu sehen. Ihre Galauniform. Zusammengestaucht wegen der Abtrünnigkeit ihres Untergebenen.
    Er wußte, daß sie schrie, weil ihr Mund offen war, aber die Worte ihres Zorns drangen nicht durch die nahtlose, zischende Brandung des Rauschgenerators, den er von seinen Anwälten bekommen hatte. Sie hatten ihm geraten, den Generator bei diesem letzten Besuch in den Räumen von Slitscan ununterbrochen zu tragen, und ihn instruiert, keine Erklärungen abzugeben. Hören würde er garantiert keine.
    Und später fragte er sich manchmal, wie sie ihren Zorn wohl genau formuliert haben mochte. Eine neue Darstellung ihrer Theorie vom Ruhm und seinem Preis, von Slitscans Platz darin und von Laneys Unfähigkeit, entsprechend zu funktionieren?
    Oder hatte sie sich auf seinen Verrat konzentriert? Aber er hatte es nicht gehört; er hatte nur diese Sachen, die er eigentlich gar nicht haben wollte, in einen Karton aus Wellplastik gepackt, der noch leicht nach mexikanischen Orangen duftete. Das mittlerweile unbrauchbare Notebook mit dem zerbrochenen Bildschirm, das ihn durchs College begleitet hatte. Den Iso-Becher, von dem das Nissan-County-Logo -28—
    abblätterte. Notizen, die er sich entgegen der Büropolitik auf Papier gemacht hatte. Ein kaffeefleckiges Fax von einer Frau, mit der er in Ixtapa geschlafen hatte, deren Initialen nun nicht mehr zu entziffern waren und deren Namen er vergessen hatte.
    Nutzlose Stücke seines Ichs, für einen Müllcontainer auf dem Parkplatz des Gebäudes bestimmt. Aber er würde nichts hierlassen, und Kathy schrie weiter.
    Jetzt, im Todeswürfel K, stellte er sich vor, daß sie ihm erzählt hatte,
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