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Idoru

Idoru

Titel: Idoru
Autoren: William Gibson
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in Apple Shires«, riet die Werbung.
     
    Alison Shires hatte er nach fünf Monaten bei Slitscan zuerst in Gestalt animierter Kopfbilder zu sehen bekommen. Sie war ein ziemlich durchschnittlich attraktives Mädchen gewesen, das mit leiser Stimme irgendeinen Bewerbungstext für imaginäre Casting-Direktoren, Agenten, jemanden, irgendwen von sich gegeben hatte.
    -31—
    Kathy Torrance hatte sein Gesicht beobachtet, während er auf den Bildschirm schaute. »Schon die Nase voll von süßen kleinen Dingern, Laney? Allergische Reaktion auf niedlich?
    Erste Symptome sind eine Art unterschwellige Gereiztheit, Ablehnung, das vage, aber hartnäckige Gefühl, daß sich jemand an einen ranschmeißt, daß man ausgenutzt wird …«
    »Die ist nicht mal so ›niedlich‹ wie die letzten beiden.«
    »Genau. Sieht beinahe alltäglich aus. Fast wie ein normaler Mensch. Markier sie.«
    Laney blickte auf. »Wozu?«
    »Markier sie. Er könnte sich damit rausreden, sie wäre ’ne Kellnerin oder so.«
    »Glaubst du, sie ist diejenige, welche?«
    »Davon hast du locker noch dreihundert andere drin, Laney.
    Wahrscheinliche Kandidaten rauszupicken, ist ein Anfang.«
    »Aufs Geratewohl?«
    »Bei uns heißt das ›Instinkt‹. Markier sie.«
    Laney klickte sie mit dem Cursor an. Der hellblaue Pfeil blieb zufällig in einer verschatteten Augenhöhle des Mädchens stehen, das den Blick gesenkt hatte. Er markierte sie zwecks genauerer Nachforschungen darüber, ob sie vielleicht die einstmalige Partnerin eines Schauspielers sein könnte, der eine sehr öffentliche Ehe führte und auf eine Weise berühmt war, die Kathy Torrance verstand und guthieß. Jemand, der den Gesetzen der Nahrungskette gehorchen mußte. Kein zu großer Bissen für Slitscan. Doch er oder seine Hintermänner waren bisher sehr vorsichtig gewesen. Oder sie hatten großes Glück gehabt.
    Aber jetzt nicht mehr. Kathy war über einen jener ›schwarzen Kanäle‹, auf die sie angewiesen war, ein Gerücht zu Ohren gekommen, und nun verlangte die Nahrungskette ihr Recht.
    »Wachen Sie auf«, sagte Blackwell. »Sie schlafen ja beim -32—
    Essen ein. Wird Zeit, daß Sie uns erzählen, wie Sie Ihren letzten Job losgeworden sind, wenn wir Ihnen einen neuen anbieten sollen.«
    »Kaffee«, sagte Laney.
     
    Laney legte Wert auf die Feststellung, daß er kein Voyeur war.
    Er hatte ein eigentümliches Talent im Umgang mit Datensammlungsarchitekturen und litt unter einem ärztlich bescheinigten Konzentrationsmangel, aus dem er unter bestimmten Bedingungen in einen Zustand pathologischer Hyperkonzentration umschalten konnte. Das machte ihn, fuhr er bei mehreren Lattes in einer Roppongi-Filiale von Amos ’n’
    Andes fort, zu einem hervorragenden Rechercheur. (Über das staatliche Waisenhaus in Gainesville verlor er kein Wort, ebensowenig über etwaige dort unternommene Versuche, seinen Konzentrationsmangel zu heilen – die 5-SB-Verfahren und dergleichen.)
    Die relevanten Angaben bezüglich seiner gegenwärtigen Verwendbarkeit lauteten, daß er ein intuitiver Informationsmusterfischer war; er spürte jene Signatur auf, die ein bestimmtes Individuum unvermeidlich im Netz erzeugte, wenn es dem profanen und dennoch unendlich vielgestaltigen Geschäft des Lebens in einer digitalen Gesellschaft nachging.
    Laneys Konzentrationsmangel, zu geringfügig, um von irgendwelchen Meßgeräten registriert zu werden, machte ihn zu einem geborenen Zapper, der auf – nun ja – intuitive Art von Programm zu Programm, von Datenbasis zu Datenbasis, von Plattform zu Plattform wechselte.
    Und das war im Grunde der Haken an der Sache, wenn es darum ging, einen Job zu finden. Laney war das Gegenstück zu einem Wassersucher: ein kybernetischer Wünschelrutengänger.
    Er konnte nicht erklären, wie er seine Arbeit machte. Er wußte es einfach nicht.
    -33—
    Zu Slitscan war er von DatAmerica gekommen, wo er wissenschaftlicher Assistent bei einem Projekt mit dem Codenamen TIDAL gewesen war. Es sagte einiges über die Unternehmenskultur bei DatAmerica, daß es Laney nie gelungen war, in Erfahrung zu bringen, ob TIDAL nun ein Akronym war oder worum es (auch nur in groben Zügen) bei TIDAL ging. Er hatte seine Zeit damit verbracht, gewaltige Ströme undifferenzierter Daten zu überfliegen und ›Knotenpunkte‹ zu suchen. Ein französisches
    Wissenschaftlerteam hatte ihn darin ausgebildet, sie zu erkennen. Sie waren alle eifrige Tennisspieler gewesen, aber keiner von ihnen hatte auch nur die geringste Lust gehabt, Laney
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